276 Astrophotographie.
Ganz anders gestaltet sich die Sache, wenn im Spectrum lauter unbekannte
Linien vorhanden sind, und nur eine Wasserstofflinie als bekannt nachweisbar
ist. Solche Fälle treten bei den Sternen des I. Typus ein, bei denen nur ver-
einzelte Metalllinien gesehen werden. Dann wird man am besten das Wasserstoff-
spectrum einer GEISSLER’schen Röhre auf die Platte mitphotographiren. Es wird
hier eine Nichtcoincidenz nur von der Verschiebung der Linie, die durch die
Bewegung des Sterns im Visionsradius hervorgerufen wird, herrühren. Scbaden
dürfte es übrigens nicht, um allen Zweifeln und Unsicherheiten vorzubeugen,
auf die Platte auch ein Metallspectrum, so z. B. das des Eisens oder Cadmiums,
mit aufzunehmen.
Wenn die Aufnahmen bei Mondschein gemacht werden, empfiehlt es sich,
auf dieselbe Platte das Spectrum des Mondes mit aufzunehmen, keinenfalls aber
den nüchsten Tag abzuwarten und dann das Sonnenspectrum als vergleichendes
Object zu photographiren, da man durch die verschiedenen Temperaturen, die
zwischen den beiden Aufnahmen stattfinden, leicht gróbere Fehler bekommen
könnte. Ist kein Mondlicht vorhanden, so kann man auch das Spectrum eines
Sternes des II. Typus mitphotographiren, und dessen Spectrum als Normalspectrum
zur Reduction herbeiziehen.
Bei der Ablesung der Spectrallinien haben wir bisher immer vorausgesetzt,
dass die Spectra nur kurz sind, da ja die ganze Schraube des Potsdamer Mikro-
skops nur 40 mm lang ist. Man wird aber
leicht in die Lage kommen, auch ein lán-
geres Spectrogramm ausmessen zu müssen,
und hier versagen die eben beschriebenen
Apparate ihren Dienst. ADAM HILGER in
London hat nun für das Potsdamer Ob-
servatorium einen Apparat angefertigt, der
die Ausmessung eines bedeutend làüngeren
Spectrums zulässt. Die Schraubenlánge
beträgt 100 mm. Fig. 102 stellt den Ap-
parat dar, wie er mit einigen Modifika-
tionen für die O'Gyallaer Sternwarte ge-
macht wurde. Er muss als Ableseapparat für einen Spectrographen angesehen
werden, der zur Aufnahme des Sonnenspectrums dient. AA ist eine gehobelte
Platte, auf welcher die durchbrochenen Ständer BB aufgesetzt sind. Sie sind
zweifach mit einander verbunden, erstens in der Mitte dutch den Rahmen 7,
der gleichzeitig als Objectivtisch dient, und zweitens dem oberen, etwas krättiger
gearbeiteten Rahmen SS, welcher zur Führung des Mikroskops M bestimmt ist.
Der Rahmen SS ist schwalbenschwanzfórmig gearbeitet und schliesst den
Schlitten C ein, auf dem das Mikroskop M durch drei Zug- und Druckschrauben
befestigt ist. Er wird mitsammt dem Mikroskop mit der Mikrometerschraube s
weitergeführt. Die Schraube endet in einer Kugel, die in einem fôrmlichen
Lager mit anspannbarem Deckel gelagert ist; sie würde sich in jeder Lage ein-
stellen können, wenn dies nicht durch einen Stift verhindert würde. Derselbe
ist aber im Lager nicht in einem Loche befestigt, wie das gewöhnlich der Fall
zu sein pflegt, sondern in einem etwas länglichen Schlitz; diese Einrichtung er-
möglicht die freie Einstellung der Schraube nach den Unvollkommenheiten,
welche durch die gröberen Theile des Apparats (z. B. die Schwalbenschwanz-
führung) verursacht wird. Als Mutter der Schraube dient die Rolle der Trommel
7", die in 100 Thle. getheilt ist und mit dem Knopf g gedreht werden kann.