20 Allgemeine Einleitung in die Astronomie.
einnimmt, und der Anfang des »Zeichens des Widders« stets mit dem Frühlings-
punkte zusammenfällt; in den früheren Zeiten findet man dann noch die Längen
nach Zeichen (Signa), Graden, Minuten, Secunden, z. B. 4: 25^ 16' 37"; diese
Zühlweise wurde aber seit dem Anfange unseres Jahrhunderts fallen gelassen,
und man sagt z. B. für obige Angabe 145? 16 ' 37". Vor 2000 Jahren fielen
demnach die 19 Zeichen des Thierkreises mit den 12 Sternbildern des Thier-
kreises zusammen, in unserer Zeit fállt jedoch das Zeichen des Widders bereits
fast genau in das Sternbild der Fische, hingegen wird zu allen Zeiten der
Frühlingsanfang mit dem Eintritt der Sonne in das Zeichen des Widders,
der astronomische Sommer- bezw. Herbst- und Winteranfang mit dem Eintritt der
Sonne in die Zeichen des Krebses, der Waage und des Steinbocks zusammen-
fallen 1).
Eine weitere Folge der Pricession ist, dass die Sonne bereits in den
Frühlingspunkt tritt, noch ehe sie an denselben Punkt des Himmels (zu den-
selben Fixsternen) gekommen ist, es muss daher das tropische Jahr (die Zeit
zwischen 2 aufeinander folgenden Durchgängen der Sonne durch den Frühlings-
punkt) etwas kürzer sein, als das siderische Jahr (die Zeit, welche die Sonne zu
einem vollen Umlauf von 360° braucht) In der That hatte HiPPARCB diese
Beobachtung noch vor Anlegung seines Sternkatalogs gemacht, und wunderte
sich, wie PToLEMÄUS berichtet, ausserordentlich darüber, dass das tropische Jahr
kürzer sei als 3651 Tage, während er das siderische Jahr länger fand. Für das
erstere giebt er die Länge 3651 — +}, (= 365-2467) Tage. Aus dieser Er-
scheinung schloss er ganz richtig auf das Rückweichen der Nachtgleichenpunkte,
welche er später, wie oben bemerkt, auch aus der direkten Messung der Längen
der Fixsterne bestätigt fand.
Der zweite grosse Fortschritt der Astronomie, der sich an den Namen
HIPPARCH knüpft, ist die consequente Durchführung und Anwendung der Epicykeln-
theorie auf die Bewegung der Himmelskörper. Denkt man sich die Erde als
Mittelpunkt O eines Kreises (Fig. 5), in welchem sich ein Punkt C gleich-
müssig bewegt, so kann man diesen Punkt als mittleren Ort eines Gestirnes an-
sehen, welches seinen siderischen Umlauf um die Erde in derselben Zeit vol-
zieht, wie dieser Punkt. Das Gestirn befindet sich nun aber bald rechts, bald
1) Es mag hier darauf hingewiesen werden, dass dieser sogen. »astronomische Anfang« der
Jahreszeiten den klimatischen Verhältnissen sehr schlecht entspricht. Selbst die Bezeichnung
»astronomischer Anfang« ist incorrect; denn strenge genommen müsste der hóchste bezw.
tiefste Stand der Sonne astronomisch der Mitte des Sommers bezw. Winters entsprechen,
dem zu Folge die in der Mitte dazwischen gelegenen Cardinalpunkte der Mitte des
Frühlinges bezw. Herbstes Da nun aber in Folge der continuirlichen Wärmewirkung der
Sonne das Maximum der Wärme etwas später eintritt, was natiirlich auch vom Temperatur-
minimum im Winter gilt, so werden klimatisch die Mitte des Sommers und Winters etwas
später zu setzen sein. In der That wird in. Mitteleuropa den wirklichen Verhältnissen
ziemlich gut Rechnung getragen, wenn man eine Verschiebung von einem halben Monat
annimmt, wodurch die Mitte des Sommers auf den 7. Juli, die Mitte des Winters auf den
7. Januar, folglich die Mitte des Frühlings auf den 7. April, die Mitte des Herbstes auf den
7. October fällt. Die Länge der Jahreszeiten hängt aber wesentlich von der Intensität der
Temperaturunterschiede ab; bei denjenigen Temperaturextremen, welche den mittleren Breiten
im Flachlande entsprechen, kann für die Dauer der Jahreszeiten mit den extremen Temperatur-
graden (Sommer und Winter) etwa 31 Monate, für diejenigen mit den mittleren Temperaturgraden
(Frühling und Herbst) etwa 21 Monate (für die letzteren eher etwas kürzer, für die ersteren
etwas länger) angenommen werden. Dann wären die klimatischen Trennungspunkte bezw. der
I. März, 15. Mai, ı. September und 15. November.