392 Astrospectroskopie.
Was nun das Ausmessen solcher photographisch fixirter Spectren betrifft, so
bedient man sich dazu eines Mikroskopes und einer Messvorrichtung, bestehend in
einer feinen Mikrometerschraube mit getheiltem Kopf und Zählwerk für die ganzen
Umdrehungen, welche entweder das Mikroskop über die photographische Platte oder
letztere unter dem ersteren hindurchführt, wozu gelegentlich noch ein weiteres, am
Ocular des Mikroskopes angebrachtes Mikrometer zur Ausmessung kurzer Strecken tritt.
Die Vergrösserung des Mikroskopes darf man nicht zu stark wählen, weil sich
sonst das Silberkorn der photographischen Platte zu stórend bemerkbar macht;
eine 12- oder ı5fache Vergrösserung wird im Allgemeinen die vortheilhafteste
sein, wenn man auch gelegentlich zu einer stürkeren greifen muss, wobei eine
25fache etwa als obere Grenze angesehen werden kann; für die Wahl der Ver-
grosserung wird auch die jeweilige Schürfe der auszumessenden Aufnahme
mitbestimmend sein. Die Mikrometerschraube des Messapparates muss man
gerade so untersuchen und den Werth derselben in Wellenlängen ermitteln, wie
man es bei gewóhnlichen Mikrometern thut, wobei nur zu berücksichtigen ist,
.dass der Schraubenwerth in den verschiedenen Theilen des Spectrums ein ver-
schiedener sein wird. Sehr erschwerend wirkt ferner dabei der Umstand, dass
durch die Temperatur die Dispersion des Spectrographen geändert wird, dass
man also die Auswerthung der Mikrometerschraube in Wellenlängen nur für eine
bestimmte Temperatur des Spectrographen ausführen kann. Man verfährt dabei
am besten so, dass man eine photographische Aufnahme des Sonnenspectrums
macht und diese mit aller Sorgfalt mittelst des Mikrometers ausmisst und die
Werthe der einzelnen Ablesungen desselben aus den genau bekannten Wellen-
längen der ausgemessenen Linien des Sonnenspectrums ableitet und diese zur
Aufstellung einer graphischen Tafel oder einer Zahlentabelle benutzt, aus welcher
man dann den Wert einer beliebigen Mikrometerablesung in Wellenlängen, gültig
für die Temperatur, bei welcher das Sonnenspectrum aufgenommen wurde, er-
hält. Auf diese muss man jede bei anderer Temperatur gemachte Spectralauf-
nahme reduciren, was man mit Hilte der an Scalen abgelesenen Veränderungen
der Focalstellungen von Collimator und Camera und der berechneten Diffractions-
änderung bewirkt, aber diese Methode ist umständlich und für die feinsten
Messungen nicht genau genug. Bei diesen thut man besser, das zur Ableitung
des Schraubenwerthes benutzte Sonnenspectrum so auf die auszumessende
Spectralaufnahme, eines Sternes z. B., zu legen, dass die Schichtseiten der Platten
sich berühren und die Linien des Sonnenspectrums die móglichst genaue Fort-
setzung der entsprechenden Linien des Sternspectrums bilden. Dann misst man
die Linien des letzteren aus und an zwei bis drei verschiedenen Stellen im
Spectrum die Lagendifferenzen einiger derselben gegen die entsprechenden
Sonnenlinien, womit man die Zahl erhült, die man wegen ihrer Kleinheit meistens
zu den Schraubenablesungen nur zu addiren hat, um diese nun mittelst der Ta-
belle der Schraubenwerthe in Wellenlàngen umrechnen zu kónnen. Dieses Ver-
fahren ist bei allen denjenigen Gestirnspectren nicht mehr anwendbar, die einen
ganz anderen Habitus als das Sonnenspectrum zeigen. Hier muss man entweder
die Hy-Linie des Wasserstoffs oder beim Anstreben grôsster Genauigkeit ein
linienreiches Metallspectrum mit dem Gestirnspectrum zugleich photographiren,
um dadurch eine Grundlage für die Ausmessung des letzteren zu bekommen.
Bei den dem Sonnenspectrum ähnlichen Spectraltypen kann man in mondhellen
Nächten auch vor oder nach der Sternaufnahme das Spectrum des Mondes auf
derselben Platte mit aufnehmen, während eine Aufnahme des Sonnenspectrums
auf derselben Platte am nächsten Tage wegen der unvermeidlichen Temperatur-