Astrospectroskopie. 403
der vollen diesen eigenthümlichen Breite an, verlaufen aber nach aussen bin
spitz. Die D,-Linie dagegen verhält sich gerade umgekehrt, ihr entspricht keine
dunkle Linie im Sonnenspectrum, so kann sie sich auch einer solchen nicht
anschliessen, sondern scheint dasselbe in scharfer Spitze kaum zu berühren, da-
gegen verläuft sie breit nach aussen hin, was darauf deuten würde, dass der
Stoff, dem diese Linie ihr Dasein verdankt und den man, weil man ihn zuerst
in der Sonne fand, das Helium genannt hat, mit der Entfernung vom Sonnen-
centrum an Dichte zunimmt. Die Heliumlinie tritt übrigens auch in den meisten
Sternspectren auf, welche die Wasserstofflinien hell zeigen, wihrend sie in den
Sternspectren mit dunkeln Linien fehlt. Wie dieses eigenthiimliche Verhalten
zu erklären ist, ob aus besonderen Eigenschaften dieser Substanz oder aus eigen-
thümlichen Druck- und Temperaturverhältnissen, lásst sich bis jetzt nicht ent-
scheiden. PALMIERI will die D.,-Linie im Spectrum eines weichen Auswurf-
produktes des Vesuv gefunden haben, doch ist erst eine Bestätigung abzuwarten
sonst ist diese Linie bei irdischen Stoffen nie beobachtet.
Mit dem Spectrum der Chromosphäre stimmt das Protuberanzenspectrum
vollkommen überein, nur dass die hellen Linien jeweils die Form desjenigen
Durchmessers der Protuberanz annehmen,
der sich unter dem Spalte befindet, wobei
es vorkommen kann, dass eine Linie aus
mehreren getrennten Stücken besteht, wie
das z. B. Fig. 131 zeigt, welche die Linie
über einer Protuberanz nach einer Beob-
achtung von H. C. VocEr darstellt. Dabei
bemerkt man auch deutlich eine Verzerrung
der hellen Linientheile, welche durch die
rasche Bewegung der Gase in der Protuberanz nach dem DorrrEm'schen Princip
bewirkt ist. Vielleicht noch markanter zeigt sich eine wirbelartige Bewegung in
einer von VOGEL am 3. Juni 1871 beobachteten Protuberanz durch eine doppelte
Verkrümmung der F-Linie, wie in Fig. 132 abgebildet ist.
(A. 132.)
Wie man eine Protuberanz auf einmal überblicken kann, ist bei Besprechung
der Protuberanzenspectroskope auseinander gesetzt worden. Hier mag nur noch
die Bemerkung Platz finden, dass ein und dieselbe Protuberanz in den ver-
schiedenen Wasserstofflinien ein verscbiedenes Aussehen hat, was sich einfach
daraus erklürt, dass die nach dem Violett zu gelegenen Wasserstoftlinien durch
eine hóhere Temperatur bedingt sind. Die Natriumlinien zeigen bisweilen eine
doppelte Umkehr, d. h. sie erscheinen hell und sehr breit, zeigen dabei aber in
ihrer Mitte ein schmales, schwarzes Streifchen, also etwa gerade umgekehrt wie
sie in Fig. 129 abgebildet sind. Die Lánge der Linien im Protuberanzenspectrum
ist wesentlich verschieden; am lángsten erscheinen die Linien des Wasserstofts,
dann folgen die des Heliums, Natriums, Magnesiums etc. Auch die Auswahl
der Metalllinien, welche hell erscheinen kónnen, ist scheinbar willkürlich, doch
dürften da T'emperaturverhältnisse in der Hauptsache bestimmend einwirken,
wenigstens sind es vorwiegend die sogen. langen Linien, welche man im Metall-
spectrum entworfen durch den elektrischen Flammenbogen beobachtet, die in
den Protuberanzenspectren hell erscheinen. ]Je nachdem in einer Protuberanz
die gewóhnlichen Linien Ges Chromosphárenspectrums vorkommen oder noch
eine mehr oder minder grosse Anzahl von Me*alllinien auftreten, wird man
Wasserstoff und metallische Protuberanzen unterscheiden können; erstere
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