Full text: Handwörterbuch der Astronomie (3. Abtheilung, 2. Theil, 1. Band)

        
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
     
   
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
     
   
  
     
   
    
464 Bahnbestinmung der Planeten und Kometen. 
  
Was endlich die Kreisbahn betrifft, so fällt ausser der Excentricitát auch 
die Lage des Peribels fort; die Anzahl der Elemente reducirt sich auf vier, 
weshalb man zur Bestimmung einer Kreisbahn nur zwei geocentrische Beob- 
achtungen gebraucht. 
Noch wäre eines Umstandes zu gedenken, der allerdings praktisch eigentlich 
nur bei Kometen vorkommt, der sogen. retrograden Bewegung. Bewegt sich 
nämlich ein Himmelskörper im Sinne der wachsenden heliocentrischen Längen 
so, dass die letzteren zunehmen, so nennt man seine Bewegung direkt; im 
anderen Falle retrograd; dieser Unterschied besteht nur so lange, als man die 
Neigung z von 0° bis 90° zählt; rechnet man aber nach Gauss’ Vorgange die 
Neigung 7 von 0? bis 180° so fillt dieser Unterschied weg. Bezeichnet man 
die Bahnelemente nach alter Záhlweise (retrograde Bewegung) mit dem Index 
»0«, so lassen sich unschwer die folgenden Relationen beweisen. 
144g = 180? Qu o0 T+mn=298, 0=-— 00 
so dass die Uebertragung der Zählweise von alt auf neu keiner Schwierigkeit 
unterliegt. 
I. Bahnbestimmung eines Himmelskörpers ohne Voraussetzung über 
die Excentricitát. 
Im Folgenden soll der Weg, den Gauss eingeschlagen hat, die Bahn eines 
Himmelskórpers ohne Veraussetzung über die Excentricitàit zu bestimmen, in 
jener Form dargestellt werden, die ENckE im Berliner Astronomischen Jahrbuch 
für 1854 (Berlin 1851) angewendet hat. Mag auch das, was nach ihm HANSEN, 
OPPOLZER, TIETJEN, FaBrITIUS u. A. zur Förderung des Problems beigetragen 
haben, in mancher Beziehung mit Rücksicht auf grössere Convergenz erspriess- 
licher sein, hier handelt es sich zunächst um klare Darstellung, und in dieser 
Hinsicht ist die Methode von Gauss in Bezug auf die Planeten ebenso wenig 
bis jetzt übertroffen worden, wie die OLBERS'sche Behandlung des Kometen- 
problems. 
Die Methode ldsst sich kurz in folgenden vier Postulaten formuliren: 
1) Die drei Beobachtungen sollen der Bedingung einer Ebene Genüge 
leisten, welche durch den Sonnenmittelpunkt geht. 
2) Die Beobachtungen sollen auf einem Kegelschnitte liegen, dessen Brenn- 
punkt durch den Mittelpunkt der Sonne gebildet wird. 
3) Die Flächengeschwindigkeit des Himmelskörpers in seiner Bahn soll eine 
constante Grösse sein. 
4) Die Zwischenzeiten sollen endlich der Bewegung in dem Kegelschnitte 
Genüge leisten. 
Hier tritt sofort eine organische Scheidung in einen algebraischen und 
transcendenten Theil ein. Der transcendente Theil ist von Gauss, ENCKE, 
BEssEL, HANSEN u. A. in so befriedigender Weise erledigt worden, dass in dieser 
Richtung kaum etwas zu wünschen übrig bleibt. Der algebraische Theil hin- 
gegen, der die Bedingung der Ebene umfasst, hat eine Reihe von Methoden ins 
Leben gerufen, die zum Theil bestimmten Problemen (Bahnbestimmung der 
kleinen Planeten etc.) angepasst sind und daher einer gewissen Einschränkung 
nicht entbehren. Im Falle eines Kometen mit kurzer Umlaufszeit werden meist 
schon aus der parabolischen Bahnbestimmung genäherte Werthe der geocentri- 
schen und heliocentrischen Entfernung so wie der heliocentrischen Bewegung 
existiren, so dass die hypothetischen Voraussetzungen in gewisser Beziehung als 
frei von allzu grosser Willkür betrachtet werden kónnen. 
  
  
 
	        
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