Der Almagest des PTOLEMÄUS, :33
Die geographische Breite eines Ortes wurde gleichzeitig mit der Schiefe
der Ekliptük e gefunden, indem man die Mittagshóhe der Sonne zur Zeit der
Sommer- und Wintersolstitien beobachtete. Sind die beiden Hóhen 4; und 45,
so ist, wenn e die geographische Breite oder Polhóhe, demnach 90? — © die
Aequatorhóhe des Beobachters ist
h, = (90? — 9) + €; ha = (90° — ¢) — ¢
folglich | € — 4 (/, — Ag); e — 90? — $ (7, + 73).
Die Höhen %,, 4, wurden an den grossen, mit Kreisen versehenen Instru-
menten, oder auch einfach mittels der Messung der Schattenlàngen an einem
verticalen Stabe (Gnomon) erhalten. Um auch in jenen Fillen, wo selbst das
letztere einfache Hilfsmittel fehlte, die geographische Breite zu finden, giebt
PToLEMÄUS eine Tafel für die Dauer des längsten Tages in. verschiedenen Breiten.
Da nümlich der Tagebogen Z' eines Gestirns, dessen Deklination 8 ist, bestimmt
ist durch cos} Z'— — tango tangs, so ist fiir den längsten Tag, für welchen die
nôrdliche Deklination der eu gleich der Schiefe der Ekliptik e, also für die
Zeit des ProrEMàus 23? 50' i
tang ¢ = — colgecos $1 = + cotg e sin (V T! — 90°),
und da
cotg 23^ 50' — 2:26 und sin (57 — 90°) = } chord (I — 180°)
ist, so wird
tang 9 = — À cos + 7 = 2 chord (T' — 180°).
Zur Bestimmung der dee E Länge schlágt ProrgMAvs die Beobachtung
der Mondfinsternisse vor, indem nämlich der Moment des Beginns oder der
Mitte derselben für alle Punkte der Erde derselbe ist, diesem Momente jedoch
an verschiedenen Punkten der Erde verschiedene Tageszeiten entsprechen werden.
Findet man z. B., dass die Mitte einer Mondfinsterniss an einem Punkte der
Erde eine Stunde vor Mitternacht, an einem anderen Punkte aber 21 Stunden
vor Mitternacht beobachtet wurde, so liegt der zweite Ort 14 Stunden oder
224° westlich vom ersteren.
Der Beschreibung des gestirnten Himmels ist das 7. und. 8. Buch des Alma-
gest gewidmet; es wird hier ein Catalog von 1022, auf 48 Sternbilder vertheilten
Sternen gegeben, und ihre Positionen nach Länge und Breite angeführt. Aus
den Vergleichungen seiner. eigenen Beobachtungen mit denjenigen von HIPPARCH
findet PToLEMÄUs, übereinstimmend mit seinem Vorgänger, die Präcession in
Länge rund 1° in 100 Jahren.
Wenn wir von einer theoretischen Astronomie bei PTOLEMAUS sprechen, so
dürfen wir dabei nicht an eine solche in unserem heutigen Sinne, etwa an eine
Ableitung der sámmtlichen Bewegungen der Himmelskórper aus einem einheit-
lichen Gesetze denken. Bei ProrEMáus ist dieselbe eigentlich eine »geometrische«
Astronomie, eine Zerfáàllung der sehr complicirten Bewegungen der Wandelsterne
in einfache, epicyklische, wobei er die Arbeiten HriPPARCH's als Muster nehmend,
dessen Theorien erweitert und vervollkommnet. ProrEMAus beweist zunächst
die Identität der schon von HipparcH als gleichwerthig erkannten Annahmen
des excentrischen Kreises und des Epicykels. Sei Z (Fig. 9) die Erde, LBX
der Deferent, PQ der Epicykel, dessen Mittelpunkt in Z ist, so dass seit dem
Apogäum die Bewegung desselben ZB, die Bewegung des Gestirns im Epicykel
PO ist, derart. dass PBQ = LEB ist. Macht man auf ZZ die Strecke EC
gleich dem Epicykelhalbmesser BP und verbindet C mit Q, so ist wegen
S PAQ-— AE auch QB gleich und parallel CZ, folglich ZZ gleich und
parallel Q C, d. h. der Ort des Gestirns Q ist jederzeit von dem um ZC= 57
VALENTINER, Astronomie. I, 3