Full text: Handwörterbuch der Astronomie (3. Abtheilung, 2. Theil, 1. Band)

  
  
  
  
Doppelsterne. 675 
in den letzten Jahren auch schon zur Kenntniss sehr interessanter Objecte ge- 
führt. BURNHAM’s verschiedene Kataloge enthalten bis jetzt etwa 1300 neue 
Objecte!). Im Ganzen werden gegenwätig an 12000 mehrfache Sterne bekannt 
sein, von denen etwa 102 mehr oder weniger deutliche Revolutionsbewegungen 
aufweisen. Diese Abscháützung beruht auf folgenden Angaben. J. HERSCHEL?) 
hat ein Verzeichniss der ihm bekannten mehrfachen Sterne hinterlassen, welches 
10300 Objecte enthält. Nicht inbegriffen sind die BunNHAM'schen Sterne, sowie 
die, allerdings nicht zahlreichen, in den letzten Jahren von anderen Astronomen 
gefundenen. Noch mag erwühnt werden, dass man die Doppelsterne mit Vor- 
liebe nach den von den um diesen Zweig der Astronomie verdientesten Astro- 
nomen bezeichnet, indem die Nummern der von ihnen herausgegebenen Kata- 
loge citirt werden. Es ist üblich, W. STRUVE mit 3, Otro STRUVE mit O 2, 
Dawrs mit D, DEMBOWSKI mit À, DUNÉR mit Dæ, BURNHAM mit B, SCHIAPARELLI 
mit Sp zu bezeichnen. So wird z. B. Ç Cancri auch Z 1196 benannt. 
Viel ist, namentlich in früherer Zeit, über die Farben der Doppelsterne ge- 
schrieben worden. W. SrRUvE hat, wie schon erwühnt, die Untersuchung dieses 
Gegenstandes in sein Arbeitsprogramm aufgenommen. Im Ganzen hat er unter 
596 Systemen gefunden: 375 Paare von gleicher Farbe, 101 Paare von wenig 
verschiedener Färbung und 120 Paare, deren Componenten sehr verschieden 
gefärbt sind. Diese Aufzählung dürfte jedenfalls der vielfach ausgesprochenen 
Meinung entgegentreten, dass sehr verschiedene Färbung beider Componenten, 
namentlich in complementärem Sinne, das gewöhnliche Vorkommniss sei. 
DorPLER?) hat in Verfolgung dieser Ansicht die Meinung ausgesprochen, dass 
bei Doppelsternen mit schneller Revolutionsbewegung die Neigung zu com- 
plementürer Fürbung sich aus den Gesetzen der Wellenbewegung des Lichtes 
ableiten lasse. Wenngleich die Folgezeit diese Meinung als irrig erkannt und 
das dem erwähnten Gedanken zu Grunde liegende »DoPPLER’sche Princip« in 
einigen, allerdings nicht wesentlichen Punkten modificirt hat, so bildet dasselbe 
doch ein überaus wichtiges Fundament, welches in den letzten Jahren zu wich- 
tigen und interessanten Ergebnissen und Entdeckungen geführt hat. — Zur Er- 
klärung der Farbenverschiedenheit der beiden Componenten eines Doppelsternes 
dürfe es oftmals ausreichen, in Erinnerung zu behalten, dass an sich geringe 
Farbenunterschiede sehr nahe bei einander stehender Objecte leichter bemerkbar 
werden. Während allerdings einerseits durch Versuche an besonders auffällig 
gefärbten Sternpaaren gezeigt worden ist, dass die Contrastwirkung nicht Alles 
zu erklären vermag, muss andererseits hervorgehoben werden, wie unsicher 
bisher alle Angaben, welche sich auf die Sternfarben beziehen, sind. Der Fall 
kommt nicht selten vor, dass ein Beobachter sehr intensive Farben wahrzu- 
nehmen glaubt, die ein anderer nicht oder wenigstens nicht mit Sicherheit wahr- 
nehmen kann. So hat sich ein so erfahrener Beobachter wie J. HERSCHEL stets 
sehr skeptisch gegenüber der ganzen Angelegenheit verhalten. Seiner Meinung 
nach kommen überhaupt nur Färbungen aus dem weniger brechbaren Theile 
des Spectrums (roth, gelb) bei Sternen in ausgesprochenem Grade vor, und 
blaue Sternfarben seien stets nur Folge der Contrastwirkung naher róthlicher 
  
1) Eine Uebersicht über BURNHAM's Arbeiten giebt der 2. Band der »Publications of the 
Lick Observatory«, Sacramento 1894. 
3) A Catalogue of 10300 multiple and double Stars. Memoirs of the R. Astr. Society, 
London, Vol. 40. 
3) Ueber das farbige Licht der Doppelsterne etc. Prag 1842. 
" 73 = 
WU Wu M ME EE [s 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.