Full text: Handwörterbuch der Astronomie (3. Abtheilung, 2. Theil, 1. Band)

700 Das Fernrohr. 
Das Fernrohr. Definition. Fernrohr oder Teleskop heisst‘ eine 
Zusammenstellung von Linsen oder von Linsen und Spiegeln in einem Rohre, 
welche in dessen Richtung gelegene Gegenstände unter einem grösseren Gesichts- 
winkel erscheinen lässt, als sie einem an ihrer Stelle befindlichen Auge erscheinen 
würden. Besteht sie nur aus Linsen, so heisst sie dioptrisches Fernrohr, 
Fernrohr schlechthin oder Refractor, besteht sie aus Linsen und Spiegeln, 
so wird sie katoptrisches Fernrohr, Teleskop oder Reflector genannt. 
Der optisch wirksame Theil, auf welchen die vom Gegenstand ausgehenden 
Strahlen direkt auffallen, ist das Objectiv oder der Objectivspiegel, der, 
durch welchen das Auge blickt, das Ocular. 
Geschichte der Refractoren. Das älteste Fernrohr ist das holländische 
oder GALILEI'sche mit einer Sammellinse als Objectiv und einer Zerstreuungslinse 
als Ocular. Indem das letztere sich innerhalb der Brennweite des ersteren 
befindet, verhindert es das Zustandekommen des von dem ersteren sonst ent- 
  
  
(A. 167.) 
worfenenen Bildes und zerstreut, wie Fig. 167 zeigt, die in dasselbe hineinfallenden 
Strahlen in solcher Weise, dass dem Auge ein aufrechtes Bild des Gegenstandes 
erscheint. Das Instrument kam im Anfange des 17. Jahrhunderts bei den Brillen- 
schleifern in Middelburg auf Seeland in Gebrauch, und da diese Handwerker 
nicht gewohnt waren, ihre Arbeiten dem Papiere anzuvertrauen, so hat nicht 
festgestellt werden können, in welchem Jahre und von wem es erfunden wurde. 
Das älteste, seine Erfindung behandelnde Aktenstück, welches wir besitzen, ist 
die Antwort, die die Generalstaaten der Niederlande am 2. October 1608 auf 
das Gesuch des Brillenschleifers Haws LiPPERSHEY!) ertheilten, ihm dies Fernrohr 
zu patentiren. Ob aber ihm oder seinem Handwerksgenossen ZACHARIAS JANSSEN 
die Erfindung gebührt, wird um so weniger auszumachen sein, als schon die 1655 
von PETRUS BORELLUS?) angestellten Untersuchungen über den eigentiichen Erfinder 
zu keinem Ergebniss geführt haben?), obschon sie noch das Zeugniss der Schwester 
und des Jugendfreundes jenes ZACHARIAS anrufen konnten. Es ist nicht unwahr- 
scheinlich, das JANssEN das Mikroskop, LiPPERSHEY das Fernrohr zuerst herstellte 4), 
sicher aber irrt CaRTESIUS?)), wenn er die Erfindung dem JAcosB METIUS zueignet. 
1) MorL, Geschiedskundig onderzoek naar de uitvinder der verrekykers uit de aantekeningen 
van weyle den hoogleraar van Swinden.  Nieuwe Verhandelingen van de 1. Klasse van 
het Kon. Instituut von Wetenschappen 1831. III. Mitgetheilt von SERvVUS. Geschichte des 
Fernrohrs. Berlin 1886, pag. 117. 
?) P. BoRELLUS, De vero telescopii inventore. Hagae comitum 1655. 
3) R. Worr, Geschichte der Astronomie. München 1877, pag. 359; die Erfindung des 
Fernrohres und seine Folgen für die Astronomie. Zürich 1870, pag. 7. — P. HARTING, Oude 
optische werktuigen, toegeschreven aan ZACHARIAS JANSSEN. Album der Natuur. 1867, pag. 257. 
4) GERLAND, Bericht über den historischen Theil der internationalen Ausstellung wissen- 
schaftlicher Apparate auf der Londoner internationalen Ausstellung im Jahre 1876, herausg. von 
A. W. HorMANN. Braunschweig 1878, pag. 45; Geschichte der Physik. Leipzig 1892, pag. 100. 
5) RENATI CARTESII, Specimina Philosophiae. Ultima. Editio. Amstelodami 1692. 
  
  
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.