COoPErRNICUS: ‚Libration der Erdaxe. $9
Prücession), er verbesserte die Methode zur Bestimmung des Sonnenapogáums
und gab für die zweite Ungleichheit in der Mondbewegung (die Evection) eine
von der früheren verschiedene Darstellung, durch welche die Entfernungen des
Mondes von der Erde viel richtiger wiedergegeben wurden. Allerdings finden
sich auch in seiner Theorie gewisse Unrichtigkeiten, welche von Beobachtungs-
fehlern herrühren, die er nicht erkannt hat. Dahin ist seine Theorie der »Libra-
tion der Aequinoctien« und die Annahme der Veründerlichkeit der Neigungen
der Planetenbahnen zu rechnen.
Da Copernicus die Präcession veründerlich findet, so bezieht er die Längen
der Fixsterne ebenso wie die Bewegungen der Planeten nicht auf die Aequi-
noctien (tropisch), sondern auf einen als Anfangspunkt gewihlten
Fixstern (siderisch). Durch Addition der Entfernung dieses Fix-
sterns vom jeweiligen Frühlingspunkte erhált er dann auch die
von dem letzteren gezühlte wahre Lánge des Gestirns. Als An-
fangspunkt der Zählung wählt er den ersten Stern im Stern- ^
bilde des Widders (y Arietis).
Die Erde hat eine dreifache Bewegung und zwar 1) um
ihre Axe, wodurch die täglichen Erscheinungen an der Himmels-
kugel erklärt werden; 2) um die Sonne; bei dieser würde aber 7,
nach Copernicus die Lage der Erdaxe im Raume nicht unver-
rückt bleiben. Errichtet man im Sonnenmittelpunkte auf die
Ebene der Erdbahn eine Senkrechte — sie sei s — so wird
dieselbe von der verlüngerten Erdaxe — 44 — geschnitten; bei
der jährlichen Bewegung der Erde würde sich nun nicht deren
Mittelpunkt allein um die Sonne drehen, sondern es dreht sich
die ganze Ebene, welche durch s und 4 gelegt wird, um die
Sonne, sodass die Erdaxe einen Kegel und der Punkt am
Himmel, in welchem 4 die Himmelskugel trifft (der eine Welt-
pol) einen kleinen Kreis um den Schnittpunkt von s mit der
Himmelskugel (dem Pole der Ekliptik) beschreiben würde.
Damit nun die Erdaxe, wie dieses in der That der Fall ist,
durch lange Zeiträume immer denselben Punkt am Himmel
trifft, d. h. der Pol des Aequators auch am Himmel fest wäre,
muss die Erdaxe eine dritte, kegelförmige Bewegung haben, die
der jährlichen Bewegung entgegengesetzt ist. Wäre die Periode
dieser Bewegung auch ein Jahr, so würden die Weltpole völlig
fest sein; die Beobachtungen zeigen aber eine langsame retrograde Bewegung,
und um. diese zu erklären, wird die Umlaufszeit der Erdaxe in diesem Kegel
etwas kleiner angenommen, ausserdem aber nicht ganz gleichmässig, weil die
fortgesetzten Bestimmungen der Präcession und Schiefe der Ekliptik immer andere
Werthe für dieselbe ergaben. COPERNICUS findet aus der Discussion der sämmt-
lichen Bestimmungen seiner Vorgänger, dass wenn S (Fig. 21) der Pol der Ekliptik
ist, der Pol des Aequators einen aus zwei kleinen sich berührenden Kreisen zusammen-
gesetzten Weg /£z/gminf am Himmel beschreibt, und ausserdem die Linie S/
sich um ‚S dreht, sodass Sf der grösste, Sg der kleinste Werth der Schiefe der
Ekliptik wird und die Abweichung des wahren Weltpoles von seinem mittleren
Orte, die »Libration der Erdaxe«, bis zum Winkel /57; anwachsen kann. Es
folgt daraus, dass, während die Schiefe der Ekliptik alle Werthe erlangt (der
Weltpol von f wieder nach f zurückgekehrt ist), was in der Zeit von 3434 Jahren
stattfindet, die Libration zwei Mal ihren grössten und kleinsten Werth erreicht
Z^
d
(A. 21.)