86 Kometen und Meteore.
hältniss der Wärmewirkung zeigt, die Wirkung der Sonne noch unvergleichlich
viel stärker. Es kann daher nicht Wunder nehmen, wenn bei so kleinen Perihel-
distanzen, wie diese bei den Kometen vorkommen (vergl. pag. 78), theilweise
Verdampfungen und Massenverluste in den Weltraum entstehen. In Hinsicht
auf die Bewegung bleiben derartige Massenverluste nicht ohne Wirkung: ein
Massenverlust ist stets von einer Verzögerung der mittleren Bewegung begleitet.
Bei den Kometen mit parabolischen Bahnen kann diese Erscheinung nicht wesent-
lich. hervortreten; hingegen kann diese Stórung bei den periodischen Kometen
mit grosser Sonnennähe merklich werden. In. dieser Richtung mag hervor
gehoben werden, dass unter allen bisher bekannten periodischen Kometen, wenn
man von dem nicht wiedergefundenen Kometen (79) absieht, der EwckE'sche
die grôsste Excentricität und (selbst einschliesslich des Kometen 79) die kleinste
Periheldistanz hat!).
Es ist aber eine bekannte Thatsache, dass bei manchen Kometen eine
plôtzliche Verkleinerung der Dunsthülle unmittelbar vor der Annäherung an das
Perihel, und nach dem Durchgange durch das Perihel wieder eine langsame
Vergrösserung der Coma stattfindet. Diese Erscheinung haben z. B. HrvEL bei
dem Kometen von 1618, WINNECKE bei dem DoNaTIschen Kometen 1858 VI,
ScumprT bei dem EnckE’schen Kometen beobachtet. Diese Erscheinung lässt
sich eben wegen der nachherigen Vergrösserung der Coma durch einen Massen-
verlust nicht erklàren. Ebenso lassen sich die längere Zeit nach dem Perihel-
durchgange erfolgten Lichtausbrüche nicht wohl auf die Wirkung der Sonne
zurückführen. Eine Erscheinung dieser Art ist der zwei Monate nach dem Perihel-
durchgange erfolgte Lichtausbruch bei dem Kometen 1884 I. Auffillig in dieser
Richtung ist auch der Komet (321), der erst 4 Monate nach dem Periheldurch-
gange als ziemlich helles Object entdeckt wurde, und 6 Monate nach seinem
Periheldurchgange, nachdem er bereits ein sehr schwaches und schwierig zu
beobachtendes Object geworden war, neuerdings eine sehr starke Helligkeits-
zunahme in einer schon sehr grossen Entfernung von der Sonne erfuhr.
Ein noch viel schwierigeres Problem bietet die Erklärung der Kometen-
schweife. Dass man, um zu einer befriedigenden Erklärung zu kommen, nebst
der allgemeinen Gravitation noch andere Krüfte annehmen muss, war schon am
Ende des vorigen Jahrhunderts erkannt; es war selbstverstándlich, eine Repulsiv-
kraft anzunehmen, weil die Kometenschweife von der Sonne weggerichtet sind.
Da eine solche abstossende Kraft mit den aus ihr folgenden, für irdische Ver-
hültnisse grossartigen Naturerscheinungen in der Elektricitát bekannt war, so
war es naheliegend, diese abstossende Kraft mit der Elektricitát zu vergleichen.
ScHROTER nimmt eine »unserer elektrischen áhnliche, ab- und fortstossende Natur-
krafte an; OLBERS identificirt diese Repulsivkraft mit der Elektricität; er sagt:
»Enthalten kann man sich indessen schwerlich, dabei an etwas, unseren elektrischen
Anziehungen und Abstossungen Analoges zu denken. Warum sollte auch diese
mächtige Naturkraft, von der wir in unserer teuchten, stets leitenden Atmosphäre
schon so bedeutende Wirkungen sahen, nicht im grossen Weltall nach einem,
weit über unsere kleinlichen Begriffe gehenden Maassstabe wirksam sein?«
! Eine Erscheinung, auf welche schon PEIRCE und MITCHELL hingewiesen haben (s.
American Journal of Sciences and Arts, 2. Serie, Bd. 33, pag. 99). Doch lässt sich die Be-
schleunigung der mittleren Bewegung des ENcKE'schen Kometen keinesfalls durch einen
Massenverlust erklären; hingegen würde ein Massenverlust die Erscheinung erklüren, dass
zwischen 1865 und 1871 eine Beschleunigung der Umlaufszeit, wie dieselbe vor 1865 und
nach 1871 sich ergab, nicht stattfand.