232 Kosmogonie.
Milchstrasse. Ein solches System besitze eine rotirende Bewegung, die einen
Mittelpunkt voraussetze, und zwar sollte diese nach KanT’s Vermuthung (pag. 7)
für unser Sonnensystem im Sirius liegen. Wegen des grossen Radius erscheine
uns diese Rotation nicht als solche, sondern sie mache sich in einer fort-
schreitenden Bewegung unserer Sonne bemerkbar, wie KANT bereits
annahm. Wenn nun auch Sirius als Centralsonne nicht beibehalten werden
konnte, so ist es bekannt, dass man erst in neuerer Zeit von den Bestrebungen
zurückgekommen ist, ihn durch eine andere zu ersetzen.
Die Annahme KAnT’s und HrrscHEL's konnte in ihrer Allgemeinheit nicht
beibehalten werden, nachdem die gasförmige Natur vieler Nebel unzweifelhaft
dargethan worden War. Man hielt diese nun für in der Bildung begriffene
Fixsternsysteme und wurde in diesem Glauben durch die von einigen von ihnen
mit Hilfe der Photographie erhaltenen Bilder nur bestärkt. So zeigt der von
ROBERTS!) am 26. November 1892 photographirte Nebel M 77 Ceti einen dich-
teren sternfórmigen Kern mit einem ebenfalls starke Verdichtungen aufweisen-
den Ringe, der von demselben Astronomen 2) am 14. April 1893 photographisch
aufgenommene H 1 168 Ursae majoris Spiralform mit einem Stern in der Mitte
und mit Windungen, von denen jede in Sterne aufgelôst ist. Von diesen Sternen
sind einige schart begrenzt, während sich die anderen in allen Stadien der Ent-
wickelung zu befinden scheinen. Auch im berühmten Sternhaufen im Hercules,
in dem Nebel der Andromeda zeigen photographische Aufnahmen deutlich Sterne
mit nebelartiger Umgebung, und Nebeltheiie mit sternartiger Verdichtung, die
die verschiedenen Stadien der Entwickelung darstellen mógen.
Soll ein Nebel über weite Räume ausgebreitet werden, so muss er eine
grosse Menge von Energie zugeführt erhalten, die er dann bei seiner Ver-
dichtung wieder ausgiebt. KANT und LAPLACE legte seinen Theilchen nur die
Eigenschaft der Schwere bei, um die Möglichkeit seiner Verdichtung zu erklären,
wenn auch der französische Forscher sich den Nebel als im höchsten Grade
erhitzt vorstellt, während HELMHOLTZ in der von Anfang an vorhandenen beträcht-
lichen Wärmemenge in Uebereinstimmung mit dem Princip der Erhaltung der
Energie den in Nebel enthaltenen Kraftvorrath sieht. Zur Erklärung dieser Wärme
blieb nun nichts übrig, als die beim Zusammentreften zweier Nebel auftretende
Stosswirkung heranzuziehen. Das that zuerst 1870 LANE), indem er aber zugleich
darauf hinwies, dass die Contraction einer Nebelmasse, welche in Folge ihrer durch
Stoss erzeugten Erhitzung weit über ihr früheres Volumen ausgedehnt worden sei,
nachher keineswegs nur eine durch Abkühlung hervorgerufene Volumverminderung
zeigen könne. Der 1877 von CRoLL?) gemachte Versuch, durch dieselbe An-
nahme die kosmischen Nebeln inne wohnenden Wármemengen zu erklären,
scheiterte daran, dass er seinen Rechnungen Geschwindigkeiten zu Grunde legte,
wie sie im Weltenraum nicht verkommen. So blieb es RITTER vorbehalten,
Vermeidung dieses Fehlers an der Hand der Errungenschaften der kinetischen
Gastheorie das Problem in einer Weise zu behandeln, die bei grossem Reich-
thum ihrer Ergebnisse auch die Erklárung vieler an den kosmischen Nebeln ge-
machten Beobachtungen liefert. Danach muss sogleich nach dem Zusammenstoss
1) RoBerTS, Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 1893. Vol. LIII,
pag. 331.
2) ROBERTS, Ebendas. 1893. Vol. LIV, pag. 92.
3) LANE, On theoretical temperature of the Sun. Sillimans Journal, Juli 1870.
4) CROLL, Philosophical Magazine. 1878, Ser. V, T. VI, pag. 1. Quarterly Journal of
Science 1877, LV. Ueber die Unhaltbarkeit der gemachten Annahme vergl. auch R. C. Worr.
Les hypothéses cosmogoniques. Bulletin astronomique 1884, T. 1, 1885, T. IL ;