Full text: Handwörterbuch der Astronomie (Zweiter Band)

    
EORR RE BEE 
50 Kometen und Meteore. 
Wenn aber diese Ansichten auch die verbreitetsten waren, so findet man doch 
auch schon im Alterthume abweichende Meinungen. ANAXAGORAS und DEMOKRIT 
erklärten die Kometen für eine Conjunction zweier oder mehrerer Sterne, die ihre 
Strahlen vereinigen, eine Ansicht, durch welche allerdings die Kometen von 
irdischen Luftgebilden ausgeschieden, dafür aber zu dem Phantasiegebilden ver- 
wiesen wurden. Nach PLuTAnCH (»De placitis philosophorum«, IIT. Buch, 2. Kap.) 
hatte DIOGENES die Kometen für wirkliche Sterne gehalten. SENECA erwáühnt in 
seinen »Naturales questiones« (VII. Buch, 3. u. 4. Kap.), dass sich diese Annahme 
nach der Meinung des APorroNius bereits bei den Chaldáern findet, wáhrend 
EPIGENES gerade das Gegentheil hiervon, dass nàmlich die Chaldäer die Kometen 
für Ausdünstungen der irdischen Atmosphäre hielten, berichtet. Dieser Widerspruch 
löst sich, wenn man, was ja ganz wohl möglich ist, annimmt, dass beide ihre 
Kenntnisse aus verschiedenen Quellen schöpften, d. h. dass einzelne unter den 
gelehrten Chaldäern der ersteren, andere der letzteren Meinung waren. 
Selbst die Meteoriten sollen bereits von DIOGENES im 5. Jahrhundert vor 
Christi Geburt für Weltkörper erklärt worden sein. Er hält den berühmten bei 
Aegos-Potamos gefallenen Meteorstein für einen aus dem Weltraume zur Erde 
gelangten Stein, und spricht dabei die Meinung aus, dass es unsichtbare Sterne 
giebt, die nur dann sichtbar werden, wenn sie auf die Erde herabfallen. 
SENECA selbst hàlt die Kometen nicht für vergüngliches Feuer, sondern für 
ewige Werke der Natur, wofür er als Beweis anführt, dass sie einen bestimmten 
Lauf haben, nicht schnell entstehen und vergehen, und ihre Stellung am Himmel 
nicht nach der Windrichtung ándern. (»Quaestiones naturales«, Kap. 23). Den 
Einwand, dass sie als Wandelsterne nicht im 'Thierkreise stehen, erkláürt er für 
belanglos, »denn wer hat den Sternen Grenzen vorgeschrieben?« Dass man ihre 
Wiederkehr noch nicht beobachtet, und ihre Bahnen noch nicht berechnet hat, 
ist kein Grund, ihnen die Bestündigkeit abzusprechen, denn man sieht einen 
Kometen, wie schon APOLLONIUS hervorgehoben hat, nur, wenn er aus den oberen, 
entfernteren Regionen des Himmels in den unteren, »der Erde nahen Theil seiner 
Bahn kommt«. 
Diese vollständig richtige Ansicht theilte das Schicksal anderer, àhnlicher, 
z. B. der Ansicht von der Bewegung der Erde: sie wurde im Mittelalter voll- 
ständig verlassen, vielleicht nicht einmal gekannt, weil — nichts davon im 
ARISTOTELEs stand. 
Mit den Meteoriten befasste man sich im Mittelalter gar nicht. Vereinzelte 
Erscheinungen wurden nicht beachtet, und auffallende Objekte am Himmel waren 
in dem aberglàubischen Mittelalter immer nur Vorboten, góttliche Zeichen, genau 
so wie die Kometen. Soll man annehmen, dass weniger Erscheinungen dieser 
Art auftraten? Sternschnuppeníálle, Feuerkugeln, Meteoritenfülle bieten sich ja 
gerade in einer Form dar, welche mit blossem Auge beobachtet werden kann, 
sodass auf ihre Beobachtung die astronomischen Hilfsmittel der späteren Zeit 
(Fehrnrohr) keinen Einfluss haben konnten. Nichts desto weniger ist es viel wahr- 
scheinlicher, dass man weniger beobachtete oder vielmehr weniger beachtete, wie 
dieses an dem Beispiele der Sonnenflecken ersichtlich ist. 
Namentlich seit REGIOMONTAN Waren die Kometenerscheinungen Gegenstand 
der Beobachtungen von Astronomen; und jeder bedeutendere Astronom zog die- 
selben in den Kreis seiner Betrachtungen, und versuchte die Gesetze ihrer Be- 
wegung zu erforschen; in der That machte die Kometenastronomie auch relativ 
bedeutende Fortschritte nicht ohne dass sich nebenbei im grossen Publikum die 
Meinung von der astrologischen Bedeutung der Kometen als göttliche Warnungs- 
  
    
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
   
	        
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