Full text: Handwörterbuch der Astronomie (3. Abtheilung, 2. Theil, 3. Band, 1. Abtheilung)

310 Ort; mittlerer, wahrer, scheinbaret. 
thümlichen Reductionselementen (Temperatur, Luftdruck) abhángige Correctionen 
(Parallaxe und Refraction) werden besonders betrachtet. 
Der mittlere Ort eines Gestirns für eine beliebige Epoche wird nicht weiter 
berücksichtigt, wesentlich bleibt nur der mittlere Ort für den Jahresanfang, dieser 
kann nämlich als eine für das Gestirn im Laufe eines Jahres Constante ange- 
sehen werden, wihrend man dann die Pricession vom Jahresanfang bis zu der 
gewünschten Epoche mit der Nutation zusammenzieht. 
Bringt man an den für eine gegebene Epoche gültigen mittleren Ort eines 
Sterns (Katalogposition) die Präcession bis zum Jahresanfange eines beliebigen 
Jahres an, so erhält man dessen mittleren Ort für den betrachteten Jahresanfang. 
Umgekehrt erhält man aus Beobachtungen auf die unten gegebene Art den 
mittleren Ort für den Jahresanfang des Beobachtungsjahres, und durch Anbringen 
der Präcession (mit dem entsprechenden Zeichen) den mittleren Ort für eine 
gewisse angenommene Epoche, z. B. eine solche, auf welche alle Beobachtungen 
reducirt werden sollen. 
Ueber die Ausführung der diesbezüglichen Operationen ist hier nichts weiter 
anzuführen, da alles Nóthige in dem Artikel »Prácession« zusammengestellt er- 
scheint. 
Es ist jedoch hier noch ein zunächst nicht genügend bestimmtes Element 
zu betrachten: der Jahresanfang. 
Bei der Berechnung der Präcession werden alle Constanten, welche als 
Coëfficienten der Zeit auftreten, nicht auf das julianische Jahr, sondern auf das 
tropische Jahr bezogen (vergl. den Artikel »Präcession«); die Linge des tropi- 
schen Jahres ist aber nicht genau durch eine ganze Anzahl von Tagen aus- 
drückbar, so dass verschiedene Jahre am selhen Ort zu verschiedenen Ortszeiten 
anfangen werden, und überdies wird der Beginn desselben tropischen Jahres, 
wenn man ihn z. B. vom Mittage oder von der Mitternacht zählen würde, für 
verschiedene Orte verschiedenen absoluten Zeitmomenten entsprechen. Man 
kann diesem Umstande auf zwei Arten Rechnung tragen. 
1) Man wählt als Nullpunkt der Zeitzählung den Jahresanfang für einen 
Hauptmeridian, den Meridian der Ephemeride, also z. B. Berlin, Paris, Greenwich, 
Washington; alle beobachteten Zeiten werden, wie bei allen aus den Epheme- 
ridensammlungen zu entnehmenden Zahlenwerthen auf die Zeit des Hauptmeridians 
reducirt; die mittleren Oerter der Sterne gelten ebenfalls für den Jahresanfang, 
d. i. Januar 0'0 des Meridians der Ephemeride!) Für die Berechnung der 
mittleren Oerter für diesen Jahresanfang hat man aber die Linge des Jahres 
(eine ganze Anzahl von Tagen) in Theilen des tropischen Jahres auszudrücken. 
2) Man wählt als Nullpunkt der Zeitrechnung einen von der Lage des Erd- 
ortes unabhängigen Anfangspunkt der Zählung. BEsseL wählte als solchen den 
Zeitpunkt, zu welchem die mittlere Länge der Sonne, vermehrt um den con- 
stanten Theil der Aberration (— 20:48") den Werth 280°, gezählt von dem zu- 
gehórigen mittleren Aequinoctium, hat. Dieses »fingirte Jahr« wurde seither bei- 
behalten und heisst azzus fictus. Dieses ist demnach ein tropisches Jahr, mit einem 
von der Lage der Erdorte unabhängigen Jahresanfang (dies reductus). Der Jahres- 
anfang des annus fictus wird daher für denselben Erdort in verschiedenen Jahren 
!) Januar 0:0 entspricht dem Mittage des 31. December des vorangehenden Jahres. Diese 
Wahl ist getroffen, damit für jeden Jahrestag die Ordnungsnummer des Tages auch die seit 
dem Jahresanfang verflossene Anzahl von Tagen darstellt; so sind für den 1., 10., 20. Januar 
bereits 1, 10, 20 Tage verflossen. 
     
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
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