Full text: Vom Wesen der Willensfreiheit

  
im wirklichen Leben stehenden Menschen, indem wir 
uns die Frage stellen, inwieweit ein solcher Mensch 
imstande ist, menschliche Willenshandlungen in ihrer 
kausalen Bedingtheit zu verstehen. Gegenüber den bis- 
her von uns benutzten Voraussetzungen sind dann zwei 
wesentliche Unterschiede zu berücksichtigen. Erstlich 
ist zu beachten, daB, auch bei einem Beobachter von 
hervorragendem Verstande, von einem restlosen Durch- 
schauen aller Willensmotive des Beobachteten und also 
auch von einer genauen Voraussage seiner Willens- 
entscheidungen nicht mehr die Rede sein kann, sondern 
nur noch von einer mehr oder minder begründeten 
Erwartung. Je überlegener in geistiger Hinsicht sich 
der Beobachter dem Beobachteten gegenüber fühlen 
darf, um so sicherer wird er seine Voraussage gestalten 
können, und offensichtlich gibt es hier keine bestimmt 
angebbare Grenze. Prinzipiell genommen steht nichts 
im Wege, die Intelligenz des Beobachters im Vergleich 
zu der des Beobachteten so hoch anzunehmen, .daf 
seine Voraussage einen beliebigen Grad von Genauig- 
keit erreicht. 
Hiezu tritt aber noch ein zweiter Unterschied. Es 
ist für einen Beobachter im wirklichen Leben hàáufig 
gar nicht môglich, die Rolle der Passivitát, deren Inne- 
haltung, wie wir sahen, für die Erkenntnis des Kausal- 
zusammenhanges der beobachteten Vorgünge eine abso- 
lut nótige Vorbedingung ist, vólhg zu wahren. Denn 
in vielen Fállen bedarf es, um sich zunächst einmal 
die nötige Einsicht in die vorliegenden Verhältnisse 
zu verschaffen, gewisser Sondierungen oder Stichproben, 
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