106 N. Teil. 1, Kapitel.
zwar wählen wir zur Betrachtung zuerst ein solches System aus,
dessen Punkte vermöge der zwischen ihnen wirkenden Kräfte stets
konstante Entfernungen behalten, und das daher als „Sstarrer“ Körper
bezeichnet wird. Ein starrer Körper ist in allen seinen Teilen von
absolut unveränderlicher Gestalt, als Ganzes aber kann er durch
die kleinste Kraft in Bewegung gesetzt werden. Vollkommen starre
Körper kommen in der Natur nicht vor, aber annähernd werden
sie verwirklicht durch die dem festen Aggregatzustand angehören-
den Körper. Doch nicht auf diesem Umstand allein beruht die
Wichtigkeit der starren Körper für die Theorie, sondern vielmehr
darauf, daß die Mechanik beliebiger Punktsysteme sich zurück-
führen läßt auf die Mechanik starrer Körper (vgl. unten 8 130).
Die Aufgabe, deren Behandlung dieses Kapitel gewidmet sein
soll, ist die folgende. Gegeben sei ein ruhender starrer Kórper
von beliebigen Dimensionen, an welchem in bestimmten gegebenen
Punkten, den ,Angriffspunkten", Krüfte von gegebener Größe und
Richtung wirken. Gefragt ist nach der Bedingung, unter der sich
die Kräfte im Gleichgewicht halten, oder, wenn diese Bedingung
nicht erfüllt ist, welche Kraft oder welche Kräfte man noch dazu
anbringen muß, um das Gleichgewicht herzustellen.
Wir lösen die Aufgabe, indem wir die gegebenen Kräfte auf
eine möglichst einfache Form reduzieren, und gehen dabei von
spezielleren Fällen zu dem allgemeinen Fall über. Der einfachste
Fall ist der, daß nur zwei Kräfte vorhanden sind. Damit zwei
Kräfte sich an einem starren Körper das Gleichgewicht halten,
ist offenbar notwendig, daß sie an Größe einander gleich, an Rich-
tung entgegengesetzt sind. Aber dies genügt noch nicht. Es ist
vielmehr zum Gleichgewicht außerdem noch erforderlich, daß die
Verbindungslinie der Angriffspunkte A B (Fig. 18) mit der Richtung
der Kräfte zusammenfällt. Denn würde z. B. die zweite Kraft
statt in.B in B’ angreifen, so würde kein Gleichgewicht bestehen,
sondern es würde eine drehende Bewegung eintreten.
Die genannte Bedingung hinsichtlich der Richtung von AB
genügt in der Tat für das Gleichgewicht. Auf die Länge der
Strecke AB oder auf die Form des Körpers kommt es dabei gar
nicht an. Letzteres erkennt man leicht, wenn man sich zunächst
den Körper vollkommen symmetrisch um die Verbindungslinie A.B
und auch symmetrisch zu der Halbierungsebene der Strecke A.B
angeordnet denkt (s.Fig.. Daß dann Gleichgewicht besteht, wird
niemand bezweifeln. Dieses Gleichgewicht kann aber unmôglich