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92 Kausalgesetz und Willensfreiheit
beliebig viele, verschieden beschaffene und verschieden ge-
formte durchsichtige Medien, wie Luft, Glas, Wasser usw.,
hindurchgehend das Auge trifft. Welchen Weg wird das
Licht einschlagen, um von dem Stern ins Auge zu gelangen?
Im allgemeinen sicherlich nicht den geradlinigen, weil doch
das Licht beim Übergang aus einem Medium in ein anderes
jedesmal eine Brechung erleidet, sondern einen um so ver-
wickelteren, je zahlreicher und mannigfacher die Zwischen-
körper angeordnet sind. Schon allein in der Atmosphäre ist
der Lichtweg sehr kompliziert, weil die Luft in verschiedenen
Höhenlagen verschiedene Brechbarkeit besitzt. Aber alle
diese zusammengesetzten Fragen werden vollkommen genau
geregelt durch den einen merkwürdigen Satz, daß das von
dem Stern ausgehende Licht unter allen ihm zur Verfügung
stehenden Wegen stets gerade denjenigen wählt, welcher es
in der kürzesten Zeit bis zum Auge führt, wobei nur zu
berücksichtigen ist, daß das Licht in den verschiedenen
Medien sich verschieden schnell fortpflanzt. Dieses sehr
fruchtbare sogenannte „Prinzip der schnellsten Ankunft‘
hätte gar keinen Sinn, wenn wir nicht imstande wären, auch
solche Lichtwege zu überdenken, die in Wirklichkeit gar nicht
vorkommen, also kausal unmöglich sind. Es ist, als ob das
Licht eine gewisse Intelligenz besäße und die löbliche Ab-
sicht verfolgte, möglichst schnell an sein vorgestecktes Ziel
zu kommen. Dabei hat es nicht einmal Zeit, die verschiedenen
möglichen Wege wirklich auszuprobieren, sondern muß sich
sofort für den richtigen entscheiden. Ähnliche Fälle gibt es
in der Physik noch mehrere andere, zum Beispiel die so-
genannten virtuellen Bewegungen, welche den dynamischen
Gesetzen nicht gehorchen und daher, kausal genommen, eben-
falls unmöglich sind, aber dennoch eine wichtige Rolle in
der Theorie spielen, also jedenfalls keinem Denkgesetz wider-
sprechen.
II.
Nachdem wir uns so überzeugt haben, daB das Kausal-
gesetz keineswegs zu den Denknotwendigkeiten gehórt, erhebt
sich um so bedeutsamer die Frage nach dem eigentlichen
Wesen der Kausalität und nach der Gültigkeit des Kausal-
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