200 Das Weltbild der neuen Physik
ten Theorie aus treffen. Der Unterschied der verschiedenen
Theorien liegt eben darin, daß nach der einen Theorie eine
gewisse Größe prinzipiell beobachtbar, eine gewisse Frage
physikalisch sinnvoll ist, nach der andern nicht. So ist die
absolute Geschwindigkeit der Erde nach der Fresnel-
Lorentzschen Theorie des ruhenden Lichtäthers prinzipiell
beobachtbar, nach der Relativitätstheorie nicht, oder die
absolute Beschleunigung eines Körpers ist nach der Newton-
schen Mechanik prinzipiell beobachtbar, nach der relativisti-
schen Mechanik nicht. Ebenso war das Problem der Kon-
struktion eines Perpetuum mobile vor der Einführung des
Prinzips der Erhaltung der Energie physikalisch sinnvoll,
nachher aber nicht mehr: Die Entscheidung zwischen diesen
Gegensátzen liegt nicht bei der Natur der Theorien an sich,
sondern bei der Erfahrung. Daher genügt es zur Charak-
terisierung der Überlegenheit der Quantenmechanik gegen-
über der klassischen Mechanik nicht, zu sagen, daß sie nur
von prinzipiell beobachtbaren Gróflen handelt — das tut die
klassische Mechanik in ihrem Sinne auch —, sondern man muß
die speziellen Größen bezeichnen, die nach ihr prinzipiell
beobachtbar beziehungsweise nicht beobachtbar sind, und
dann den Nachweis führen, daü die Erfahrung damit über-
einstimmt.
Dieser Nachweis ist nun in der Tat, zum Beispiel bezüglich
der oben besprochenen Heisenbergschen Unsicherheits-
relation, geführt worden, soweit das bis jetzt móglich scheint,
und kann als Begründung für den Vorrang der Wellenmecha-
nik angesehen werden.
Trotz dieser augenscheinlichen Erfolge hat die für die
Quantenphysik charakteristische Unsicherheitsrelation den-
noch in weiteren Kreisen Bedenken erregt, offenbar weil durch
sie die Definition von Größen, mit denen man fortwährend
rechnet, in gewissem Sinne als prinzipiell ungenau hingestellt
wird. Und das Unbehagen wird noch erheblich dadurch
gesteigert, daß, wie wir oben sahen, in die Interpretation
der quantenmechanischen Gleichungen der Wahrscheinlich-
keitsbegriff eingeführt worden ist. Denn hiermit scheint die
Forderung der strengen Kausalität aufgegeben zu werden
zugunsten eines gewissen Indeterminismus. Es gibt in der
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