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Das Weltbild der neuen Physik 201
Tat gegenwártig hervorragende Physiker, welche geneigt
sind, im Hinblick auf den Zwang der Verhàltnisse das Prin-
zip der strengen Kausalitát im physikalischen Weltbild zu
opfern.
Wenn ein solcher Schritt sich wirklich als notwendig er-
weisen sollte, so wäre damit das Ziel der physikalischen For-
schung um ein Erhebliches zurückgesteckt und damit ein
Nachteil in Kauf genommen, dessen Bedeutung nicht schwer
genug eingeschätzt werden kann. Denn der Determinismus
ist, falls man überhaupt die Wahl hat, nach meiner Meinung
unter allen Umständen dem Indeterminismus vorzuziehen,
einfach aus dem Grunde, weil eine bestimmte Antwort auf
eine Frage immer wertvoller ist als eine unbestimmte.
Soweit ich sehe, liegt aber einstweilen gar keine Veran-
lassung vor, diesen Akt der Resignation zu vollziehen. Denn
es bleibt stets die Möglichkeit offen, die Ursache für die
Unmöglichkeit, eine bestimmte Antwort zu geben, nicht in
der Beschaffenheit der Theorie, sondern in der Beschaffenheit
der gestellten Frage zu sehen. Auf eine physikalisch unzu-
reichend formulierte Frage kann auch die vollkommenste
physikalische Theorie keine bestimmte Antwort erteilen. Das
ist eine schon im Rahmen der klassischen Statistik all-
bekannte und vielfach erörterte Wahrheit. Wenn zum Bei-
spiel bei zwei sich in einer Ebene stoßenden elastischen
Kugeln sowohl die Geschwindigkeiten der Kugeln vor dem
Stoß als auch die Gesetze des Stoßes bis in alle Einzelheiten
bekannt sind, so vermag man dennoch nicht, die Geschwindig-
keiten nach dem Stoß anzugeben. In der Tat stehen für
die Berechnung der 4 unbekannten Geschwindigkeitskompo-
nenten der beiden Kugeln nach dem Stoß nur die 3 Glei-
chungen der Erhaltung der Energie und der beiden Impuls-
komponenten zur Verfügung. Aber wir sagen nicht, daß bei
dem Stoßvorgang keine Kausalität besteht, sondern wir
sagen, daß zur vollständigen Determinierung noch wesentliche
Daten fehlen.
Um nun diese Überlegung auch auf die vorliegenden Pro-
bleme der Quantenphysik anwenden zu können, müssen wir
uns jetzt zum Schlusse wieder den in der Einleitung behan-
delten Gedankengängen zuwenden.