210
Positivismus und reale Außenwelt
Richtung der Erkenntnistheorie, welche diese Frage bejaht
und welche gerade gegenwärtig mit Rücksicht auf die Un-
sicherheit der allgemeinen Zeitlage von einer Anzahl nam-
hafter Physiker und Philosophen mit Entschiedenheit ver-
treten wird, im folgenden als ,,Positivismus'' bezeichnen.
Das Wort ist zwar seit Auguste Comte in mancherlei ver-
schiedenartiger Bedeutung gebraucht worden. Indessen ver-
langt die Deutlichkeit der folgenden Aussprache, daf wir
mit dem Wort einen ganz bestimmten Sinn verbinden,
und der angegebene gehórt jedenfalls zu den am meisten ge-
brauchten.
Um die Frage zu prüfen, ob die Basis, die der Positivismus
bietet, breit genug ist, um das ganze Gebàude der Physik
zu tragen, kónnen wir wohl keine bessere Methode finden,
als daf wir zusehen, wohin uns der Positivismus führt, wenn
wir uns ihm einmal vóllig anvertrauen und ihn als einzige
Grundlage der Physik annehmen. Mit dieser Methode móchte
ich Sie heute einladen, eine Probe zu machen. Wir wollen
uns also zunáchst einmal ganz auf den Standpunkt des Posi-
tivismus stellen. Dabei werden wir uns selbstverstàndlich
bemühen müssen, streng folgerichtig zu verfahren, nament-
lich keinen nur gewohnheits- und gefühlsmäßigen Urteilen
Raum zu geben. Wir werden allerdings auf manche eigen-
tümliche Folgerungen stoßen; aber wir können versichert sein,
daß logische Widersprüche uns nicht passieren können. Denn
wir bleiben stets in der Sphäre des Erlebten, und zwei Er-
lebnisse können sich niemals logisch widersprechen. Und
andererseits wieder sind wir ebenso sicher, daß kein irgendwie
geartetes Erlebnis von unserer Betrachtung ausgeschlossen
wird, daß wir also ganz gewiß keine Quelle menschlicher
Erkenntnis ignorieren. Darin liegt die Stärke des Positivis-
mus. Er beschäftigt sich mit allen Fragen, die durch Beobach-
tungen ihre Beantwortung finden können, und umgekehrt:
jede Frage, die er überhaupt als sinnvoll zuläßt, kann durch
Beobachtungen beantwortet werden. Es gibt also für den
Positivismus keine grundsätzlichen Rätsel, keine dunklen
Fragen, alles liegt für ihn in hellem Tageslicht.
Es ist freilich nicht ganz einfach, diese Auffassung überall
im einzelnen durchzuführen. Schon im täglichen Sprach-