Full text: Wege zur physikalischen Erkenntnis (Band 1)

    
Positivismus und reale Außenwelt 
einander liegen, stets unendlich viele derartige Kurven. Auch 
wenn man ein in dauernder Bewegung befindliches Registrier- 
instrument benützt, welches selbständig eine vollständige 
Kurve, zum Beispiel eine Temperaturkurve aufzeichnet, so 
ist diese Kurve doch niemals eine scharfe, sondern sie ist 
ein mehr oder weniger dicker Strich, in welchem unendlich 
viele scharfe Kurven Platz haben. 
Um aus dieser Unsicherheit heraus zu einer bestimmten 
Entscheidung zu kommen, gibt es keine allgemein brauchbare 
Vorschrift. Hier kann immer nur ein besonderer Gedanke 
helfen, ein Gedanke, der darauf hinauskommt, auf Grund 
einer gewissen speziellen Ideenverbindung eine Hypothese 
einzuführen, welche der gesuchten Kurve von vornherein 
bestimmte Eigenschaften vorschreibt und dadurch unter den 
unendlich vielen Kurven eine ganz bestimmte aussondert. 
Ein solch neuer Gedanke hat seinen Ursprung jenseits aller 
Logik; um ihn fassen zu können, muß der Physiker zwei 
Eigenschaften besitzen: Sachkenntnis und schöpferische Phan- 
tasie. Er muß nämlich erstens auch mit anderen Arten von 
Messungen vertraut sein, und er muß zweitens den Einfall 
haben, zwei verschiedenartige Messungserlebnisse unter einen 
gemeinsamen Gesichtspunkt zu bringen. Jede leistungsfähige 
Hypothese geht zurück auf die glückliche Kombination zweier 
verschiedenartiger Erlebnisvorstellungen. Das läßt sich in 
vielen Fällen auch historisch im einzelnen verfolgen, von 
Archimedes angefangen, der den Gewichtsverlust seines 
eigenen Körpers im Wasser kombinierte mit dem Gewichts- 
verlust der ins Wasser getauchten goldenen Krone des 
Tyrannen von Syrakus, über Newton, der den Fall eines 
Apfels vom Baum kombiniert haben soll mit der Bewegung 
des Mondes gegen die Erde, bis hin zu Einstein, der den 
Zustand eines gravitierenden Körpers in einem ruhenden 
Kasten kombinierte mit dem Zustand eines gravitationsfreien 
Körpers in einem nach oben hin beschleunigten Kasten, oder 
zu Bohr, der den Kreislauf eines Elektrons um den Atomkern 
kombinierte mit dem Umlauf eines Planeten um die Sonne. 
Es wäre gewiß ein reizvolles Unternehmen, für möglichst 
viele bedeutungsvolle Hypothesen der Physik den Ideenver- 
bindungen im einzelnen nachzuspüren, denen sie ihren Ur- 
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
    
	        
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