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Ursprung und Auswirkung wissenschaftlicher Ideen 279
herrschaft, bis ein kläglicher Zusammenbruch erfolgte. Heute
greift der Positivismus nach der Krone; sie wird ihm ebenso-
wenig gereicht werden.
Niemand hat diesen steten Antagonismus tiefer empfunden
als Goethe, der ihn durch sein ganzes Leben mit sich herum-
trug und ihm in den verschiedensten Formen unübertrefflichen
Ausdruck verlieh. Seine Überwindung suchte er durch den
Emporstieg zum Begriff der Ganzheit, dessen Einführung
beiden Auffassungen Rechnung zu tragen erlaubt. Freilich
war auch Goethes umfassender Geist zeitbedingt. Da er
von einer Trennung der Lichtstrahlen im Außenraum von der
Lichtempfindung im Bewußtsein nichts wissen wollte, so
vermochte er es nicht, den damaligen glänzenden Fort-
schritten der physikalischen Optik gerecht zu werden. Aber
heute würde er doch die Einordnung der Ganzheitsidee in die
Physik als eine prinzipielle Bestätigung seiner physikalischen
Denkweise deuten können.
So zeigt uns die Wissenschaft, wie uns das schon oben
gelegentlich entgegengetreten ist, im tiefsten Innern einen
irrationalen Kern, der sich durch keinen Scharfsinn auflösen
oder, wie das jetzt wieder häufig versucht wird, durch keine
passende Einschränkung der Aufgaben der Wissenschaft
wegdefinieren läßt. Wem das verwunderlich oder unbefrie-
digend vorkommen sollte, der möge bedenken, daß es eigent-
lich gar nicht anders sein kann. Denn bei näherer Betrachtung
ist unschwer einzusehen, daß eine jede Wissenschaft, ob Natur-
oder Geisteswissenschaft, ihre Aufgabe genau genommen gar
nicht am Anfang, sondern sozusagen in der Mitte angreift,
und daß sie sich von da aus erst mehr oder weniger mühsam
zum Anfang hintasten muß, ohne die Aussicht, ihn jemals
vollständig zu erreichen. Die Wissenschaft findet ja die
Begriffe, mit denen sie arbeitet, nicht fertig vor, sondern sie
muß sie sich erst künstlich schaffen und kann sie nur all-
mählich vervollkommnen. Sie schöpft aus dem Leben und
sie wirkt wieder zurück auf das Leben. Und sie empfängt
ihren Antrieb, ihren Zusammenhalt und ihr Gedeihen aus
den Ideen, die in ihr herrschen. Die Ideen sind es, welche
dem Forscher die Probleme stellen, welche ihn unablässig
zur Arbeit treiben und welche ihm die Augen öffnen, um die