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Dynamische und statistische Gesetzmäßigkeit
für die eigene Person auch noch auf die Vergangenheit, in-
sofern dieselbe fertig abgeschlossen vor dem inneren Auge des
Denkers liegt, nicht aber auf die eigene Gegenwart und nicht
auf die eigene Zukunft, zu welcher der Weg immer nur durch
die Gegenwart hindurchführt. Denn das Denken und For-
schen selber gehört auch mit zu den geistigen Vorgängen
im Menschen, und wenn das Objekt der Untersuchung
mit dem denkenden Subjekt identisch wird, so verändert
es sich fortwährend in dem Maße, wie die Erkenntnis fort-
schreitet.
Es ist daher auch von vornherein völlig aussichtslos, vom
Standpunkt des Determinismus aus die Vorgänge der eigenen
Zukunft erschöpfend behandeln und damit zugleich den
Begriff der sittlichen Freiheit erledigen zu wollen. Wer die
uns durch das Bewußtsein gegebene freie, durch keinerlei
Kausalgesetz eingeschränkte Selbstbestimmung für logisch
unvereinbar hält mit dem absoluten Determinismus auf allen
Gebieten des geistigen Lebens, der begeht einen prinzipiellen
Fehler von ähnlicher Art wie der obenerwähnte Physiker,
wenn er die bemerkte Vorsicht nicht beachtet, oder wie ihn
ein Physiologe begehen würde, wenn er sich einbildete, die
natürlichen Funktionen eines Muskels an dem anatomischen
Präparat desselben studieren zu können.
So setzt sich die Wissenschaft selber ihre eigene unüber-
steigliche Grenze. Aber der Mensch in seinem unablässigen
Drange kann sich mit dieser Grenze nicht begnügen, er will
und muß über sie hinausdringen, da er eine Antwort braucht
auf die wichtigste, unaufhörlich wiederkehrende Frage seines
Lebens: Wie soll ich handeln? — Und eine volle Antwort
auf diese Frage findet er nicht beim Determinismus, nicht
bei der Kausalität, überhaupt nicht bei der reinen Wissen-
schaft, sondern er findet sie nur bei seiner sittlichen Ge-
sinnung, bei seinem Charakter, bei seiner Weltanschauung.
Gewissenhaftigkeit und Treue, das sind die Führer, die ihm
wie in der Wissenschaft, so auch weit darüber hinaus den
rechten Lebensweg weisen, die ihm keineswegs glänzende
Augenblickserfolge, wohl aber die höchsten Güter des mensch-
lichen Geistes, nàmlich den inneren Frieden und. die wahre
Freiheit gewährleisten. Sie stellen auch das unzerreiBbare