72 Die Entstehung und Entwicklung der Quantentheorie
mit seiner Energie in Beziehung zu bringen, und zwar nicht
die Entropie selber, sondern ihren zweiten Differential-
koeffizienten nach der Energie, weil dieser eine direkte
physikalische Bedeutung für die Irreversibilität des Energie-
austausches zwischen Resonator und Strahlung besitzt. Da
ich indessen in jener Zeit noch zu sehr phänomenologisch
orientiert war, um näher nach dem Zusammenhang zwischen
Entropie und Wahrscheinlichkeit zu fragen, so sah ich mich
zunächst allein auf die vorliegenden Ergebnisse der Erfahrung
angewiesen. Nun stand damals, im Jahre 1899, im Vorder-
grund des Interesses das kurz zuvor von W. Wien aufgestellte
Energieverteilungsgesetz (6), dessen experimentelle Prüfung
einerseits von F. Paschen an der Hochschule in Hannover,
andererseits von 0. Lummer und E. Pringsheim an der
Reichsanstalt in Charlottenburg in Angriff genommen war.
Dieses Gesetz stellt die Abhängigkeit der Strahlungsintensität
von der Temperatur vermittels einer Exponentialfunktion
dar. Berechnet man den dadurch bedingten Zusammenhang
zwischen der Entropie und der Energie eines Resonators,
so ergibt sich das merkwürdige Resultat, daß der reziproke
Wert des obengenannten Differentialkoeffizienten, den ich
hier einmal mit R bezeichnen will, proportional ist der
Energie (7). Diese überaus einfache Beziehung kann als der
vollständig adäquate Ausdruck des Wienschen Energie-
verteilungsgesetzes gelten; denn mit der Abhängigkeit von
der Energie ist auch die von der Wellenlänge stets unmittelbar
mitgegeben durch das allgemein sichergestellte Wiensche
Verschiebungsgesetz (8).
Da es sich bei dem ganzen Problem um ein universelles
Naturgesetz handelt und da ich damals, wie noch heute, von
der Ansicht durchdrungen war, daß ein Naturgesetz um so
einfacher lautet, je allgemeiner es ist, wobei allerdings die
Frage, welche Formulierung als die einfachere zu betrachten
ist, nicht immer zweifelsfrei und endgültig entschieden werden
kann, so glaubte ich eine Zeitlang in dem Satz, daß die Größe R
der Energie proportional ist, das Fundament des ganzen
Energieverteilungsgesetzes erblicken zu sollen (9). Diese Auf-
fassung erwies sich aber bald den Ergebnissen neuerer Mes-
sungen gegenüber als unhaltbar. Während sich nämlich für