Full text: Wege zur physikalischen Erkenntnis (Band 2)

     
Pe = BE 
M eto 
    
Determinismus oder Indeterminismus? | 
Il. 
Knüpfen wir zunächst einmal an einen ganz trivialen, dem täglichen 
Leben entnommenen Fall an. Denken wir an das morgige Wetter. 
Ist das morgige Wetter determiniert oder ist es nicht determiniert? 
Wenn man bedenkt, daß es unter allen Arten von Prophezeiungen 
natürlicher Ereignisse kaum eine gibt, die trügerischer ist als die 
Wetterprognose, so wird man ohne weiteres das morgige Wetter als 
indeterminiert bezeichnen. 
Anders wird die Sache, wenn in Betracht gezogen wird, daß die 
Faktoren, die das Wetter bedingen: Temperatur, Luftdruck, Wind- 
richtung und Windstärke, Feuchtigkeit, wohlbekannten physikalischen 
Gesetzen unterworfen sind, nach denen sie sich in ganz bestimmter 
Weise ändern. Im Hinblick auf diese Gesetze wird man dann. schlie- 
ßen, daß die Unsicherheit des morgigen Wetters nur auf unserer Un- 
kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse beruht und daß in Wirk- 
lichkeit das morgige Wetter vollkommen determiniert ist. 
Aber mit dem Wort ,wirklich* soll man vorsichtig umgehen. 
Seine Bedeutung kann manchmal recht zweifelhaft sein, und sein 
Gebrauch am ungeeigneten Ort hat schon oft zu Mißverständnissen 
Anlaß gegeben. Was ist denn z. B. das Wirkliche an einem Stern, 
den wir am Nachthimmel leuchten sehen? Ist es die glühende Ma- 
terie, aus der der Stern besteht, oder ist es die Lichtempfindung, die 
wir von ihm in unserem Auge haben? Der Realist behauptet das 
erstere, der Positivist das letztere. Eine jede der beiden Behaup- 
tungen hat etwas für sich und läßt sich mit einleuchtenden Gründen 
vertreten. Und doch darf keine von ihnen den Anspruch erheben, 
allein berechtigt zu sein. Wenn man aber beide Behauptungen als 
zulässig betrachtet, so hat. das Wort „wirklich“ gar keinen bestimm- 
ten Sinn mehr. Solange dieser Punkt nieht ausdrücklich klargestellt 
ist, verbleibt hier eine stete Quelle von Undeutlichkeit und von Mif- 
verständnissen. / 
Um nun auf unsern Satz zurückzukommen, daf) das morgige Wet- 
ter ,in Wirklichkeit" determiniert ist, so hängt bei seiner Beurtei- 
lung offenbar alles davon ab, was man als Wirklichkeit ansehen will. 
Und da kann man sehr wohl eine Auffassung geltend machen, welche 
unweigerlich zu dem Schluß führt, dafs der Inhalt des Satzes un- 
richtig ist und daß er durch sein Gegenteil ersetzt werden muß. 
Denn man kann sagen: „wirklich“ sind nicht die physikalischen Ge- 
setze und deren Anwendung zur exakten Berechnung aller Einzel- 
heiten des Wetters, sondern ,,wirklich“ sind die Meteorologen, die 
den Wetterdienst verrichten und die auf Grund des ihnen vorliegen- 
den Materials ihre Prognose ausarbeiten. Alles andere ist Theorie, 
ist Verallgemeinerung, Idealisierung, aber nicht Wirklichkeit. Von 
  
 
	        
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