Full text: Wege zur physikalischen Erkenntnis (Band 2)

       
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
130 Sinn und Grenzen der exakten Wissenschaft 
der objektiv gültigen Gesetzlichkeit einführt. Die Sinnesempfin- 
dungen, welche von den Gegenstünden verursacht werden, gehören 
dem einzelnen an und wechseln von einem zum anderen. Aber das 
Weltbild, die Welt der Gegenstände, ist für alle Menschen das nàm- 
liche, und man kann sagen, daß der Übergang von der Sinnenwelt 
zum Weltbild darauf hinauskommt, an die Stelle einer bunten sub- 
jektiven Mannigfaltigkeit eine feste objektive Ordnung, an die Stelle 
des Zufalls das Gesetz, an die Stelle des wechselnden Scheins das 
bleibende Sein zu setzen. 
Man bezeichnet daher die Welt der Gegenstände im Gegensatz 
zur Sinnenwelt auch als die reale Welt. Doch muß man mit dem 
Wort „real“ vorsichtig sein. Man darf es hier nur in einem vor- 
liufigen Sinn verstehen. Denn mit diesem Wort verbindet sich die 
Vorstellung von etwas absolut Bestündigem, Unveründerlichem, Kon- 
stantem, und es wáre zuviel behauptet, wenn man die Gegenstände 
des kindlichen Weltbildes als unveründerlich hinstellen würde. Das 
Spielzeug ist nicht unveründerlich, es kann zerbrechen oder auch ver- 
brennen, die Lampenglocke kann in Scherben gehen, und dann ist es 
mit ihrer Realität in dem genannten Sinne vorbei. 
Das klingt selbstverstindlich und trivial. Aber es ist wohl zu 
beachten, dafs beim wissenschaftlichen Weltbild, wo die Verhältnisse, 
wie wir sahen, ganz ühnlich liegen, dieser Tatbestand keineswegs als 
selbstverstándlich empfunden wurde. Wie nämlich für das Kind in 
seinen ersten Lebensjahren das Spielzeug, so waren für die Wissen- 
schaft durch Jahrzehnte und Jahrhunderte hindurch die Atome das 
eigentlich Reale in den Vorgängen der Natur. Sie waren es, die beim 
Zerbrechen oder Verbrennen eines Gegenstandes unverändert die 
nämlichen blieben und daher das Bleibende in allem Wechsel der 
Erscheinungen darstellten. Bis sich zur allgemeinen Überraschung 
eines Tages herausstellte, daß auch die Atome zertrümmert werden 
können. Wir wollen daher, wenn wir im folgenden von der realen 
- Welt reden, dieses Wort zunächst immer in einem bedingten, naiven 
Sinn verstehen, welcher der Eigenart des jeweiligen Weltbildes an- 
gepaßt ist, und wir wollen uns dabei stets gegenwärtig halten, daß 
mit einer Veränderung des Weltbildes zugleich auch eine Verände- 
rung dessen, was man das Reale nennt, verbunden sein kann. 
Jedes Weltbild ist charakterisiert durch die realen Elemente, aus 
denen es sich zusammensetzt. Aus der realen Welt des praktischen 
Lebens hat sich die reale Welt der exakten Wissenschaft, das 
wissenschaftliche Weltbild, entwickelt. Aber auch dieses ist nicht 
endgültig, sondern es verändert sich immerwährend durch fort- 
gesetzte Forschungsarbeit, von Stufe zu Stufe. 
Eine solche Stufe bildet dasjenige wissenschaftliche Weltbild, 
welches wir heute das klassische zu nennen pflegen. Seine realen 
  
	        
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