Full text: Wege zur physikalischen Erkenntnis (Band 2)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
134 Sinn und Grenzen der exakten Wissenschaft 
sprüchen an die Genauigkeit der Messungen auch die Kompliziertheit 
der Instrumente immer größer wird, findet ohne weiteres Verständ- 
nis und Billigung. Aber daß bei der fortgesetzten Verfeinerung der 
gesetzlichen Zusammenhänge zu ihrer Formulierung Definitionen und 
Begriffe benutzt werden, die sich immer weiter von altgewohnten 
Formen und anschaulichen Vorstellungen entfernen, macht man 
stellenweise der theoretischen Forschung zum Vorwurf, ja man will 
darin Anzeichen dafür erblicken, daß sie sich auf einem Irrweg be- 
findet. 
Nichts kann kurzsichtiger sein als eine derartige Vermutung. Denn 
wenn wir bedenken, daß mit der Verbesserung des Weltbildes zu- 
gleich auch eine Annäherung an die metaphysisch reale Welt ver- 
bunden ist, so käme die Erwartung, daß die Definitionen und die 
Begriffe des objektiv realen Weltbildes nicht merklich weit aus dem 
durch das klassische Weltbild geschaffenen Rahmen herauszutreten 
brauchen, im Grunde darauf hinaus, zu verlangen, daß die metaphy- 
sisch reale Welt mit den Anschauungen, die dem bisherigen naiven 
Weltbild entnommen sind, vollkommen faßbar und verständlich sei. 
Das ist eine unerfüllbare Forderung. Man kann unmöglich die feinere 
Struktur eines Gegenstandes erkennen, wenn man es grundsätzlich 
ablehnt, ihn anders als mit bloßem Auge zu betrachten. Doch in 
dieser Hinsicht besteht kein Anlaß zu Besorgnissen. Die Entwicklung 
des wissenschaftlichen Weltbildes erfolgt ja zwangsläufig. Die mit 
den verfeinerten Meßinstrumenten gemachten Erfahrungen verlangen 
es unerbittlich, daß alteingewurzelte anschauliche Vorstellungen auf- 
gegeben und durch neuartige, mehr abstrakte Begriffsbildungen er- 
ersetzt werden, für welche die entsprechenden Anschauungen erst 
noch gesucht und ausgebildet werden müssen. Damit zeigen sie der 
theoretischen Forschung ihren Weg in der Richtung vom naiven zum 
metaphysisch Realen. 
Aber so bedeutend auch die zurückgelegte Wegstrecke sein mag 
und so nahe vielleicht das erstrebte Ziel winkt, es bleibt stets eine 
vom Standpunkt der exakten Wissenschaft aus unüberbrückbare 
Kluft zwischen der phänomenologischen und der metaphysisch realen 
Welt bestehen, und diese Kluft erzeugt eine beständig wirksame, nie- 
mals auszugleichende Spannung, welche in dem echten Forscher als 
unversiegbare Quelle seines Wissensdranges sich auswirkt. Zugleich 
aber gewahren wir hier die Grenze, welche die exakte Wissenschaft 
nicht zu überschreiten vermag. Mögen ihre Erfolge noch so weit- und 
tiefgehend sein, es wird ihr niemals gelingen, den letzten Schritt ins 
Metaphysische zu tun. In diesem Zwiespalt, der sich dahin äußert, 
daß wir uns unweigerlich zur Voraussetzung einer realen Welt in 
absolutem Sinn genötigt sehen, daß wir aber doch andererseits nie- 
mals imstande sind, ihr Wesen vollständig zu begreifen, liegt das 
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
	        
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