Full text: Wege zur physikalischen Erkenntnis (Band 2)

   
    
24 Das Prinzip der kleinsten Wirkung 
in die Grundprinzipien der Mechanik wird freilieh erst, wie wir spä- 
tem sehen werden, durch das moderne Prinzip der Relativitat ver- 
mittelt. 
In der bisher besprochenen Formulierung des Prinzips der klein- 
sten Wirkung war noch keine Rücksicht genommen auf die den vir- 
tuellen Bewegungen vorzuschreibenden Bedingungen, und doch sind 
diese von genau derselben Wichtigkeit wie die Aktionsgrófle selbst, 
da je nach der Art der vorgeschriebenen Bedingungen der Inhalt des 
Prinzips einen ganz verschiedenen Sinn annimmt. Es kommt eben 
nicht allein auf das Merkmal an, nach welchem die Auswahl getroffen 
wird, sondern auch auf die Natur der Bewegungen, welche zur Aus- 
wahl gestellt werden. Freilich hat es lange gedauert, bis dieser Um- 
stand, dessen Außerachtlassung zu manchen verhängnisvollen Feh- 
lern geführt hat, zur klaren Erkenntnis gelangte und damit das Prin- 
zip der kleinsten Wirkung die erste korrekte Fassung erhielt. Wenn 
man die Entdeckung des Prinzips auf diesen Zeitpunkt ansetzt, so 
wird man erst Lagrange das Verdienst derselben zuschreiben 
dürfen. Indessen mit einer solchen Bewertung würde man den Män- 
nern unrecht tun, welche den Boden vorbereitet und das Werk be- 
gonnen haben, das Lagrange später zum glücklichen Abschluß 
bringen konnte. Zu ihnen gehört zunächst Leibniz, und zwar haupt- 
sächlich nach einem im Original verlorengegangenen Briefe vom 
Jahre 1707, dann Maupertuis und Euler. 
Vor allem war es Moreau de Maupertuis, der von Friedrich 
dem Großen ernannte Präsident der Preußischen Akademie der 
Wissenschaften (1746—1759), welcher die Existenz und die Bedeutung 
des Wirkungsprinzips nicht nur erkannte, sondern auch mit Ein- 
setzung seiner ganzen Persönlichkeit innerhalb und außerhalb der 
Wissenschaft zur Geltung zu bringen suchte. Freilich steht der bis 
zur Reizbarkeit sich steigernde Eifer, mit welchem Maupertuis 
sein Prinzip der Mitwelt unter immer neuen Formen verkündete und 
nach allen Richtungen gegen oft berechtigte Ausstellungen vertei- 
digte, in einigem Kontrast zu dem wissenschaftlichen Wert der For- 
mulierung, die er als die passendste erkannt zu haben glaubte, und 
man wird den Gedanken nicht abweisen können, daß die eigentliche 
Triebfeder seines energischen Festhaltens an sachlich unzureichen- 
den Thesen nicht allein der wissenschaftlichen Überzeugung, sondern 
mindestens im gleichen Grade der festen Absicht entsprang, sich die 
Priorität einer Entdeckung, die er als sein wichtigstes Lebenswerk 
betrachtete, unter allen Umständen zu sichern. Dafür spricht beson- 
ders die sonst schier unbegreifliche leidenschaftliche Verblendung, 
mit welcher er, die ihm übertragene hohe Stellung bis an die Grenze 
des Mißbrauches ausnutzend, die Echtheit des oben erwähnten, von 
dem Professor Samuel Kónig. (1151) produzierten Briefes von 
 
	        
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