Full text: Wege zur physikalischen Erkenntnis (Band 2)

    
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Vom Wesen der Willensfreiheit 
liegende Erklärung finden kann, die wenigstens die Ehrlichkeit der 
Betroffenen unangetastet läßt. Sie besteht darin, daß bei ihnen die 
aus ihrer Ethik der Lebensverneinung stammenden Willensmotive 
kompensiert und überwunden werden durch kräftigere entgegen- 
gesetzt gerichtete Motive, die dem im Unterbewußtsein schlummern- 
den natürlichen Triebe zur Selbsterhaltung und Selbstbehauptung 
entspringen — ein weiterer Beleg für die allgemeine Wahrheit, daß 
der aus dunkler Tiefe aufsteigende Wille des Menschen stärker ist 
als sein bewußt abwägender Verstand. Dieser Satz bildet ja, wie wir 
sahen, die Grundlage für die Freiheit des eigenen Willens. Nicht die 
auf verstandesmäßige Überlegungen sich stützende wissenschaftliche 
Erkenntnis, sondern der auf ethische Ziele hin gerichtete freie Wille 
ist es, der unseren Handlungen im Leben tatsächlich die Richtung 
weist. 
So trägt ein jeder sein Schicksal frei in seiner Hand. Wir können 
unmöglich die gesetzliche Abwickelung unserer eigenen Lebens- 
kämpfe als aufmerksame aber neutrale Zuschauer betrachten, son- 
dern wir stehen selber als aktive Mitstreiter im Kampf und sind da- 
her stets gezwungen, nach freiem Ermessen Partei zu nehmen. Kein 
Fatalismus kann uns unserer Verantwortung dabei entheben. 
Wenn wir als Fatalisten die Hände in den Schoß legen wollten 
und abwarten, was passiert, in der Meinung, daß es sich nicht ver- 
lohne, über unsere zukünftigen Handlungen nachzudenken, da diese 
doch durch das Kausalgesetz genau vorherbestimmt seien, so würden 
wir uns einer verhängnisvollen Selbsttäuschung hingeben. Denn tat- 
sächlich würden wir mit diesem Entschluß eine freie Willensentschei- 
dung treffen. Gegen solche moralische Verirrungen bildet den natür- 
lichsten und zugleich stärksten Schutz die Stimme des eigenen Ge- 
wissens. Aber auch derjenige, welchem eine einseitige Naturanlage 
oder eine allzu liebevolle Beschäftigung mit unreifen sozialen Theo- 
rien die Unbefangenheit getrübt und die natürlichen Hemmungen 
beseitigt hat, sollte sich wenigstens verstandesmäßig klarmachen, 
daß das Kausalgesetz, welches, wie wir gesehen haben, in der An- 
wendung auf unseren eigenen gegenwärtigen Seelenzustand ohne 
jeden Sinn ist, unmöglich. herangezogen werden kann, um uns von 
der vollen sittlichen Verantwortung für Handlungen, die wir zu be- 
gehen im Begriff sind, zu entlasten. Auf der anderen Seite verleiht 
uns der Umstand, daß wir eigene zukünftige Handlungen niemals 
rein kausal begreifen können, das wohlbegründete Recht, unserer 
Phantasie freien Spielraum zu gewähren, und hält selbst dem kühn- 
sten Optimismus für die Zukunft das Tor offen. 
Erst wenn eine Handlung vollzogen ist und somit der Vergangen- 
heit angehört, sind wir zu dem Versuch berechtigt, sie von rein kau- 
salen Gesichtspunkten aus zu verstehen. Die Einsicht, daß wir auch 
   
  
	        
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