Full text: Wege zur physikalischen Erkenntnis (Band 2)

      
  
dazu aufbringt und betätigt. 
  
Vom Wesen der Willensfreiheit 87 
im Wege, anzunehmen, daß sie über kurz oder lang in jedem Fall ein- 
treten, wenn wir auch nicht hellsichtig genug sind, um jedesmal 
Kenntnis von ihnen zu erhalten. Wem es gelingt, sich bis zu dieser 
Lebensanschauung zu erheben, die durch keine Wissenschaft und 
keine Logik zu widerlegen ist, und die uns, wie wir sahen, nur durch 
den Willen, nieht dureh den Verstand vermittelt werden kann, der 
darf sich wahrhaft glücklieh preisen. Denn wie er stets empfünglich 
bleibt für alles Gute und Sehóne, was ihm jeder Tag und jede 
Stunde bringen kann, so bleibt er zugleich von vornherein gefeit 
gegen ‘die inneren und äußeren Gefahren, welche das seelische 
Gleichgewicht unablássig bedrohen. 
Wir haben, meine Damen und Herren, das Verhültnis der Wil- 
lensfreiheit zum Kausalgesetz bisher nur mit Bezug auf den ein- 
zelnen Menschen betrachtet, und das war notwendig. Denn die 
Willensfreiheit, ebenso wie das Verantwortungsbewuftsein, hat in 
letzter Linie nur für die Finzelpersônlichkeit Bedeutung. Aber es 
unterliegt keinem Zweifel, daß es aufer dem Finzelwillen auch einen 
Gemeinschaftswillen, einen Volkswillen gibt, der noch etwas anderes 
darstellt als die einfache Summe der einzelnen Willen, und es kann 
ebenso nicht zweifelhaft sein, daß für diese Art von Willen, der sich 
auf viel weitere Raum- und Zeitverhältnisse hin geltend macht, ganz 
ähnliche Gesetzmäßigkeiten aufzustellen sind. So lassen Sie mich 
zum Schluß nur noch in einem kurzen Satz zusammenfassen, was wir 
in dieser Hinsicht auf Grund unserer früheren Überlegungen ohne 
weiteres aussprechen können. Die Geschichte eines ' Volkes ist dem 
eigenen Volke nur für die Vergangenheit kausal verständlich, seine 
Zukunft läßt sich nie und nimmer auf rein wissenschaftlichem Wege 
ergründen. Daher ist jeder Versuch, die Frage, ob Untergang oder 
Aufstieg, allein durch historische Forschung zu lösen, von vornherein 
verfehlt, wie jetzt erfreulicherweise immer mehr anerkannt wird. 
Aber das kónnen wir mit Sicherheit sagen: Demjenigen Geschlecht 
und demjenigen Volk wird die Zukunft gehóren, welches den Willen
	        
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