Full text: Vorträge und Erinnerungen

Das Wesen des Lichts 115 
Lichtes ward gewonnen durch die Erkenntnis der Identität der leuch- 
tenden und der wärmenden Strahlen; er bildet den ersten Schritt auf 
dem oben angedeuteten Wege der vollständigen Abstraktion von den 
menschlichen Sinnesempfindungen. Daß die kalten Lichtstrahlen des 
Mondes, physikalisch genommen, von genau der nämlichen Art sind 
wie die dunkeln Wärmestrahlen eines geheizten Kachelofens, nur 
durch die viel kürzere Wellenlänge von ihnen verschieden, ist eine 
Behauptung, von der man sich nicht wundern darf, daß sie anfangs 
vielfach Bedenken erregte, und bezeichnenderweise hat gerade der- 
jenige Physiker, welcher an dem Beweise ihrer Richtigkeit den her- 
vorragendsten Anteil nahm, Melloni, seine Versuche ursprünglich 
in der Absicht begonnen, ihre Unhaltbarkeit nachzuweisen. Es ist 
nämlich dabei im Auge zu behalten, daß, wie bei allen induktiven 
Schlußfolgerungen so auch hier, ein logisch zwingender Beweis über- 
haupt nicht geführt werden kann; was sich zeigen läßt, ist nur, daß 
alle Gesetze, welche für die leuchtenden Strahlen gelten, namentlich 
die der Reflexion, Brechung, Interferenz, Polarisation, Dispersion, 
Emission, Absorption, auch für die wärmenden Strahlen zutreffen. 
Aber wer sich trotzdem weigern wollte, die Identität beider Arten 
von Strahlen anzuerkennen, würde deshalb doch nie eines logischen 
Widerspruchs überführt werden können; denn er könnte sich immer 
darauf berufen, daß möglicherweise künftig doch noch einmal ein 
durchgreifender Unterschied zutage kommen könnte. Die prak- 
tische Unhaltbarkeit seines Standpunktes besteht nur darin, daß 
er folgerichtig gezwungen ist, auf eine Reihe von wichtigen Schluß- 
folgerungen zu verzichten, welche die Identitätstheorie ohne weiteres 
mit sich bringt. Er dürfte z. B. nicht die Behauptung aufstellen, daß 
die Mondstrahlen auch wärmen, während diese Tatsache gegenwärtig 
für jeden vernünftigen Physiker, auch wenn sie nicht durch beson- 
dere Versuche bestätigt worden wäre, außer Zweifel stehen würde. 
Der so geschlossenen Union zwischen den leuchtenden und den 
wärmenden, ultraroten Strahlen gliederten sich ohne weitere Schwie- 
rigkeit auf der anderen Seite des Spektrums die chemisch wirksamen, 
ultravioletten Strahlen an. Daß aber diese Gemeinschaft verschie- 
dener Strahlenarten noch einer ungeheuren Erweiterung, und zwar 
nach beiden Seiten des Spektrums hin, fähig ist, sollte erst viel später 
an den Tag kommen. Um einen solchen großartigen Fortschritt zu 
erzielen, bedurfte es freilich noch einer besonderen Vorarbeit, näm- 
lich des Überganges von der mechanischen zur elektromagnetischen 
Lichttheorie. 
Nicht nur Newton und Huygens, sondern auch ihre unmittel- 
baren Nachfolger waren sich bei aller sonstigen Verschiedenheit 
ihrer Anschauungen doch darüber einig, daß das Verständnis für das 
Wesen des Lichtes auf dem Boden der mechanischen Naturauffassung 
gesucht werden müsse, und diese Forschungsrichtung erhielt auch 
späterhin durch den mit der Entdeckung des Prinzips der Erhaltung 
der Energie verbundenen glänzenden Aufschwung der mechanischen 
Wärmetheorie von neuem einen mächtigen Antrieb. Daß die Äther- 
 
	        
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