Persönliche Erinnerungen aus alten Zeiten
Einer Aufforderung der Redaktion der ,, Naturwissenschaften"! fol-
gend, bin ich gern bereit, einige Eindrücke wiederzugeben, welche mir
eine Anzahl bedeutender, nunmehr lüngst verstorbener Fachgenossen
hinterlieB, mit denen ich wahrend meiner ersten Lebenshálfte in Be-
rührung kam. Freilich verfüge ich leider nicht über irgendwelche hand-
schriftliche Aufzeichnungen, Tagebuchblátter oder dergleichen (dies ist
alles im legten Kriege verbrannt), und wäre daher ausschließlich auf
mein Gedächtnis angewiesen, wenn ich nicht einen Teil meiner persön-
lichen Erinnerungen bereits bei früheren Anlässen zusammengestellt
hátte?. Erfreulicherweise ist es mir aber möglich, diese Aufzeichnungen
noch in mancher Hinsicht zu ergänzen; vor allem handelt es sich dabei
um einzelne Erinnerungsbilder, die sich mir fest eingeprägt haben,
so daß sie auch jest noch ganz deutlich vor meinem geistigen Auge
stehen.
Mit der Physik kam ich zuallererst in Berührung am Münchener
Maximilians-Gymnasium durch meinen Mathematiklehrer Hermann
Müller, einen mitten im Leben stehenden, scharfsinnigen und wit-
zigen Mann, der es verstand, die Bedeutung der physikalischen Gesete,
die er uns Schülern beibrachte, durch drastische Beispiele zu erláutern.
So kam es, daf) ich als erstes Geset, welches unabhängig vom Men-
schen eine absolute Geltung besigt, das Prinzip der Erhaltung der
Energie, wie eine Heilsbotschaft in mich aufnahm. Unvergeflich ist
mir die Schilderung, die Müller uns als Beispiel der potentiellen und
der kinetischen Energie zum besten gab, von einem Maurer, der einen
schweren Ziegelstein mühsam auf das Dach eines Hauses hinauf-
schleppt. Die Arbeit, die er dabei leistet, geht nicht verloren: sie bleibt
unversehrt aufgespeichert, jahrelang, bis vielleicht eines Tages der
Stein sich löst und einem vorübergehenden Menschen auf den Kopf fällt.
Nach Absolvierung des Gymnasiums studierte ich zunächst 3 Jahre
(1875—1877) an der Universität München. Mein akademischer Lehrer in
1 S. Die Naturwissenschaften, Heft 8 v. 30. Oktober 1946.
2 Ansprache anläßlich des 90. Gründungstages der Deutschen Physikal. Gesellschaft
(Verh. d. D. Physik. Ges. (3) 16, 11 (1935); wissenschaftl. Selbstbiographie, verfaBt
für die Kais.-Leopol.-Karol. Deutsche Akademie der Naturforscher.
Planck, Vorträge und Erinnerungen, 5. Aufl. 1