Vom Relativen zum Absoluten.
: (Gastvorlesung, gehalten in der Universität München, am 1. Dezember 1924.)
Eure Magnifizenz! Meine hochverehrten Damen und Herren! Es
ist mir eine hohe Ehre und eine ganz besondere Freude, daß es mir
durch eine freundliche Einladung verstattet ist, hier in diesem Hause,
in dem ich vor fünfzig Jahren als akademischer Bürger einziehen
durfte, in dem ich später den Doktorgrad und dann die Venia le-
gendi erwarb, wieder einmal das Wort ergreifen und über Gegen-
stände meiner Wissenschaft reden zu dürfen. Unwillkürlich lenkt
sich dabei der Blick zurück auf den ehemaligen Stand der wissen-
schaftlichen Forschung und ermißt den gewaltigen Abstand, der sich
bei der Vergleichung der beiderseitigen Bilder, dem von früher und
dem von heute, dem inneren Auge offenbart. Wohl kaum in irgend-
einem halben Jahrhundert hat die Physik ihr Antlitz so von Grund
auf und so vollkommen unerwartet gewandelt. Als ich meine physi-
kalischen Studien begann und bei meinem ehrwürdigen Lehrer Phi-
lipp v. Jolly wegen der Bedingungen und Aussichten meines
Studiums mir Rat erholte, schilderte mir dieser die Physik als eine
hochentwickelte, nahezu voll ausgereifte Wissenschaft, die nunmehr,
nachdem ihr durch die Entdeckung des Prinzips der Erhaltung der
Energie gewissermaßen die Krone aufgesetzt sei, wohl bald ihre end-
gültige stabile Form angenommen haben würde. Wohl gäbe es viel-
leicht in einem oder dem anderen Winkel noch ein Stäubchen oder
ein Bläschen zu prüfen und einzuordnen, aber das System als Ganzes
stehe ziemlich gesichert da, und die theoretische Physik nähere sich
merklich demjenigen Grade der Vollendung, wie ihn etwa die Geo-
metrie schon seit Jahrhunderten besitze.
Das war vor fünfzig Jahren die Anschauung eines auf der Höhe
der Zeit stehenden Physikers. Zwar fehlte es schon damals in der
physikalischen Wissenschaft nicht an gewissen dunklen, einer nähe-
ren Aufklärung bedürftigen Punkten, die in den behaglichen Zustand
der Sättigung etwas Beunruhigendes brachten. So trotzte das sonder-
bare Verhalten des Lichtäthers hartnäckig allen auf seine Erklärung
abzielenden Versuchen, und das Phänomen der um jene Zeit von
Wilh. Hittorf entdeckten Kathodenstrahlen gab den Experimen-
tatoren und den Theoretikern schwierige Rätsel auf. Noch Hein-
rich Hertz, das letzte strahlende Gestirn am Firmament der klas-
sischen Physik, brachte die Kathodenstrahlen in Zusammenhang mit
longitudinalen Ätherwellen, da es ihm mit den damals zur Verfügung