Full text: Vorträge und Erinnerungen

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
Die Kausalität in der Natur. 
(Erweiterung der Guthrie-Lecture, vorgetragen am 17. Juni 1932 in der 
Physical Society of London.) 
Die neuere Entwicklung der Physik hat gelehrt, daß die hohen Er- 
wartungen, die man eine Zeitlang an die glänzenden Erfolge der phy- 
sikalischen Forschung für die Vertiefung der Naturerkenntnis mit 
gewissem Recht geknüpft hatte, in wesentlichen Punkten ein- 
geschränkt werden müssen und daß insbesondere das Kausalgesetz 
in seiner bisher üblichen klassischen Formulierung unmöglich allge- 
mein durchgeführt werden kann; denn in seiner Anwendung auf die 
Welt der Atome hat es endgültig versagt. Daher findet sich ein jeder, 
.der für den Sinn und die Bedeutung naturwissenschaftlicher For- 
schung Interesse besitzt, vor die dringende Aufgabe gestellt, das 
eigentliche Wesen der Naturgesetzlichkeit aufs neue der Prüfung zu 
unterziehen und vor allem dem Begriff der Kausalitát noch tiefer als 
bisher auf den Grund zu kommen. 
Es geht heute nicht mehr an, daf man, wie es Kant getan hat, 
das Kausalgesetz als Ausdruck der Gültigkeit unverbrüchlicher Re- 
geln für alles Geschehen einfach mit zu den Kategorien rechnet, als 
eine Form der Anschauung, ohne die wir überhaupt nicht imstande 
sind, Erfahrungen zu sammeln. Denn wenn auch der K an t sche Satz, 
daf gewisse Kategorien allen unseren Erfahrungen von vornherein 
mit zugrunde liegen, wohl für alle Zeiten unantastbar bleiben wird, 
so ist damit noch nichts über den speziellen Sinn der einzelnen Kate- 
gorien ausgesagt, und die Tatsache, daf3 die Axiome der Euklidischen 
Geometrie, welche K ant mit zu den Kategorien rechnete, neuerdings 
nicht nur als erweiterungsfáhig, sondern sogar als erweiterungs- 
bedürftig erkannt worden sind, hat die Physiker in dieser Hinsicht 
sehr vorsichtig gemacht. Wir wollen also, um nicht voreingenommen 
zu verfahren, uns an keine gefáhrlichen Voraussetzungen binden und 
müssen daher zunächst nach einem auf die Dauer zuverlässigen Aus- 
gangspunkt für die Einführung des Begriffes der Kausalität suchen. 
Wenn von einem Kausalzusammenhang zwischen zwei aufeinander- 
folgenden Ereignissen die Rede ist, so meint man damit ohne Zweifel 
eine gewisse gesetzmäfBige Verkettung der beiden Ereignisse, wobei 
das frühere Ereignis als Ursache, das spätere als Wirkung bezeich- 
net wird. Aber die Frage ist: Worin besteht diese besondere Art 
der Verkettung? Gibt es ein untrügliches Zeichen dafür, daß ein ge- 
wisses, in der Natur stattfindendes Ereignis kausal durch ein an- 
deres bedingt ist? 
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
	        
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