Full text: Vorträge und Erinnerungen

   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
    
Die Physik im Kampf um die Weltanschauung. 
(Vortrag, gehalten im Harnack-Haus, Berlin-Dahlem, am 6. März 1935.) 
Meine hochverehrten Damen und Herren! 
Was hat die Physik mit dem Kampf um die Weltanschauung zu 
tun? so wird wohl mancher von Ihnen zu fragen geneigt sein, wenn 
er sich den Sinn des Themas überlegt, zu dem ich Ihnen heute einen 
Beitrag liefern möchte. Die Physik beschäftigt sich doch lediglich 
mit Gegenständen und Vorgängen der unbelebten Natur, während 
man von einer Weltanschauung, wenn sie irgendwie befriedigend sein 
soll, verlangen muß, daß sie das gesamte körperliche und geistige 
Leben umspannt und gerade auch zu allen seelischen Fragen bis hin 
zu den höchsten Problemen der Ethik Stellung nimmt. 
So einleuchtend dieser Einwand auf den ersten Blick scheinen mag, 
einer näheren Prüfung hält er nicht stand. Zunächst ist zu sagen, daß 
die unbelebte Natur doch auch mit zur Welt gehört, daß also eine 
Weltanschauung, die Anspruch auf umfassende Geltung erhebt, auch 
auf die Gesetze der unbelebten Natur Rücksicht nehmen muß, und 
daß sie auf die Dauer unhaltbar ist, wenn sie mit diesen in Wider- 
spruch gerät. Ich brauche hier nicht hinzuweisen auf die Schar der 
religiösen Dogmen, denen die physikalische Wissenschaft den Todes- 
stoß versetzt hat. 
Aber mit solch negativer, zersetzender Wirkung erschöpft sich 
keineswegs der Einfluß der Physik auf die Weltanschauung. Im Ge- 
genteil, viel stärker wirkt sie durch ihren Beitrag zum positiven Auf- 
bau. Zunächst nach der formalen Seite. Es ist allgemein bekannt, 
daß die Methoden der physikalischen Wissenschaft sich wegen ihrer 
Exaktheit als ausnehmend fruchtbar erwiesen haben und daher auch 
für die Geisteswissenschaften in gewisser Weise vorbildlich gewor- 
den sind. Dann aber auch inhaltlich. Wie eine jegliche Wissenschaft 
ursprünglich vom Leben ausgeht, so läßt auch die Physik sich tat- 
sächlich niemals vollständig trennen von den Forschern, die sie be- 
treiben, und schließlich ist doch jeder Forscher zugleich auch eine 
Persönlichkeit, mit allen ihren intellektuellen und ethischen Eigen- 
schaften. Daher wird die Weltanschauung des Forschers stets auf 
die Richtung seiner wissenschaftlichen Arbeit mitbestimmend ein- 
wirken, und es ist selbstverständlich, daß dann auch umgekehrt die 
Resultate seiner Forschung nicht ohne Einfluß auf seine Weltan- 
schauung bleiben können. Dies für die Physik im einzelnen auszu- 
führen, werde ich als die Hauptaufgabe meiner heutigen Ausführun- 
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
 
	        
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