Determinismus oder Indeterminismus.
(Vortrag, gehalten in der Techn. Hochschule München am 4. Dezember 1937.)
Meine hochverehrten Damen und Herren!
Es mag einigermaßen bedenklich erscheinen, wenn ich es unter-
nehme, heute vor Ihnen über ein allgemeines Thema meines Arbeits-
gebietes zu sprechen. Denn abgesehen von den Schwierigkeiten, die
an sich schon mit der Aufgabe verbunden sind, vor einem Zuhörer-
kreis, der sich zumeist aus Angehörigen praktischer Berufe zusam-
mensetzt, Gedankengänge von rein wissenschaftlichem Charakter zu
entwickeln, muß ich doch vor allem damit rechnen, daß Ihre Inter-
essen gerade in der gegenwärtigen Zeit von ganz anderen Dingen
in Anspruch genommen sind, hinter denen alle Angelegenheiten von
mehr theoretischer Art zurücktreten müssen. Was mir demgegen-
über eine gewisse Ermutigung gibt, ist nicht nur das Gefühl der Ver-
pflichtung, einer schon vor längerer Zeit an mich ergangenen freund-
lichen und ehrenvollen Einladung Folge leisten zu sollen, sondern
hauptsächlich auch die Überlegung, daß das Thema, welches ich zu
behandeln gedenke, eine unvergängliche Bedeutung besitzt, und daß
sein Inhalt recht verschiedenartige und auch sehr praktische Seiten
aufweist. Es bezieht sich auf Lebenserfahrungen, die uns so geläufig
sind, daß ihre besondere Betonung fast überflüssig erscheint, es regt
aber auch wieder zu Fragen an, die der wissenschaftlichen Forschung
bis heute noch unüberwindliche Schwierigkeiten bereiten. So möchte
ich mich der Hoffnung hingeben, daß es mir gelingen könnte, wenig
stens in dem einen oder in dem anderen Punkt Ihre Teilnahme an-
zuregen und ihre Aufmerksamkeit auf eine Frage zu lenken, deren
Bedeutung sich von den Äußerlichkeiten des alltäglichen Lebens ab
bis in die Tiefen der Weltanschauung hinein auswirkt.
I.
Ist alles, was in der Welt geschieht, im voraus bis auf jede Einzel-
heit festgelegt, determiniert, oder ist es nicht determiniert? Anders
gesprochen: bestehen für den Ablauf der Ereignisse in der Natur
und im Geistesleben ganz bestimmte Gesetze, oder herrscht bei
ihnen, wenigstens bis zu einem gewissen Grade, Zufall, Willkür,
Freiheit oder wie man das nennen will? Wenn jemand eines Tages
vom Blitz getroffen wird, oder wenn jemand das große Los gewinnt,
ist das schicksalhafte Vorherbestimmung und daher eherne Not-