190 V. Strahlungs-Energie
Wir werden sehen, daB jeder warme Korper (jeder Korper, der
nicht auf dem absoluten Nullpunkte — 273? C ist) immer eine solche Tem-
peraturstrahlung aussendet, wenn auch von sehr verschiedenerArt.
Die Wárme ist eine Bewegung der Molekeln und ihrer Bestandteile,
der Atome. Die Atome sind (vgl. $697) aus noch kleineren elektrisch
geladenen Bestandteilen aufgebaut. Sehr rasche Schwingungen dieser
allerkleinsten Teilchen, welche im Äther eingebettet sind, erzeugen in
demselben periodische Stórungen (Wellen). Alle diese Atherwellen
schreiten, wie wir sehen werden, im Vakuum mit einer Geschwin-
digkeit von 3 - 10!° cm/sec (Lichtgeschwindigkeit) fort. Die
Wellenlängen der experimentell nachweisbaren Temperaturstrahlung er-
strecken sich von 0,04 bis o,0000014 cm. Wir kónnen diese Strahlung,
wenn sie in einem Körper absorbiert wird, immer kalorimetrisch
messen.
293. Wie wir spáter zeigen werden, ist die von den warmen Kórpern
ausgehende Strahlung nur ein bestimmtes Teilgebiet eines viel um-
fassenderen Gebietes, der sog. elektromagnetischen Strahlung (8 639f1.).
Die Wellenlàngen dieser Strahlen gehen (wenigstens theoretisch) von
fast Null bis Unendlich (vgl. $ 440).
294. Optische Strahlung. Anderseits haben wir aber auch innerhalb
der Temperaturstrahlung ein ganz kleines Unterteilgebiet besonders aus-
zuzeichnen, weil dieWellenlàngen von 0,00004 bis 0,00008 cm auch auf
unserAuge wirken und von uns als Licht verschiedener Farbe (zwischen
Violett und Rot) empfunden werden.
Wir besitzen also im Auge einen Apparat, der das Vorhandensein
eines kleinen Teiles dieser Wellen rasch und. bequem ermittelt. Darum
wollen wir vornehmlich dieses Teilgebiet der gestrahlten Energie, die
sog. Optik, eingehender studieren. Die Gesetze aber, die wir finden,
gelten mit wenigen Ausnahmen auch für das viel größere Gebiet der un-
sichtbaren Strahlen. Sofern diese Gesetze nicht bloß auf physiologischen
Eigenschaften des Auges beruhen, können wir sie aus mechanischen,
thermischen, elektrischen oder chemischen Wirkungen der Strahlung
nachweisen. .
Es hat sich gezeigt, daß auch die Röntgenstrahlen Wellen (elektromagnetische
Schwingungen) von bestimmter, sehr kleiner Wellenlänge, etwa von der Größen-
ordnung r0-? cm sind ($ 679). Noch kürzere Wellenlängen, etwa 10-2 bis 10740 cm
haben die y-Strahlen radioaktiver Körper ($ 702).
Geradlinige Ausbreitung.
295. Von jedem strahlenden Punkte eines erhitzten Körpers gehen die
Strahlen (vgl. dazu $431) geradlinig nach allen Seiten in den um-
gebenden Raum. Die geradlinige Fortpflanzung ist die Ursache aller
Schattenbildung.
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