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Einleitung 85
letzteren Falle stürzt der ganze Bau des zweiten Hauptsatzes
zusammen, keine der zahlreichen aus ihm hergeleiteten Be-
ziehungen, so viele einzelne auch durch die Erfahrung bestätigt
sind, kann mehr als allgemein bewiesen gelten und die Arbeit
der Theorie muß von vorne beginnen. (Die sogenannten Be-
weise der „Energetik“ gewähren keinen Ersatz; denn sie stellen
sich bei näherer Prüfung nur als Umschreibungen des zu
Beweisenden heraus, was darzulegen hier nicht der Ort ist.)*
Aber gerade in diesem Punkte liegt auch die dem zweiten
Hauptsatz innewohnende Kraft. Denn. ebenso wie jede einzelne
Lücke ihn vóllig unhaltbar macht, so kommt auch jede einzelne
Bestätigung dem Ganzen zugute und' verleiht den Schlüssen
auch auf scheinbar entfernten Gebieten die volle Bedeutung,
die der Satz selber besitzt.
S 114. Die Bedeutung des zweiten Hauptsatzes der Thermo-
dynamik besteht darin, daB er ein notwendiges und hinreichendes
Kriterium dafür liefert, ob ein bestimmter in der Natur statt-
findender ProzeB reversibel oder irreversibel ist. Da nun die
Entscheidung dieser Frage nur davon abhängt, ob der Prozeß
sich auf irgend eine Weise vollständig rückgängig machen läßt
oder nicht, so kommt es dabei lediglich auf die Beschaffenheit
des Anfangszustandes und die des Endzustandes des Prozesses
an, nicht aber auf seinen sonstigen Verlauf. Denn es handelt
! In manchen Darstellungen findet man den Prozeß der Würmeleitung
in Parallele gestellt mit dem des Herabsinkens einer schweren Flüssig-
keit von hóherem auf tieferes Niveau, und den Satz, daß in dem einen
Fall die Wärme von höherer zu tieferer Temperatur, im andern Fall die
Flüssigkeit von höherem zu tieferem Niveau übergeht, als „zweiten Haupt-
satz der Energetik' bezeichnet. Diese Zusammenstellung zeigt besonders
deutlieh die Verkennung des wirklichen Sachverhalts; denn es ist hierbei
gar nicht berücksichtigt, daß der mechanische Zustand eines Körpers nicht
allein von der Lage, sondern auch von der Geschwindigkeit abhängt,
während dagegen der thermische Zustand allein durch die Temperatur
bestimmt ist. Eine schwere Flüssigkeit kann ebensogut emporsteigen wie
herabsinken, die Wärme aber kann nur „herabsinken‘“. Allgemein ge-
nommen ist also jener ,zweite Hauptsatz der Energetik" unrichtig. Be-
schränkt man den Satz aber ausdrücklich auf ruhende Kórper, so ist er
wie schon oben (8 107) ausgeführt wurde, eine Folge des Energieprinzips,
und es ist daher durchaus unmöglich, irgend etwas Neues aus ihm ab-
zuleiten.