180 Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtsxustände
Anzahl der unabhängigen Bestandteile gar nichts zu tun. Eine
Wassermenge in beliebigen Aggregatzuständen bildet z. B. immer
einen einzigen unabhängigen Bestandteil, mögen noch so viele
und verschiedenartige ‘Assoziationen und Dissoziationen der
H,O-Moleküle, sei es in Knallgas oder in Ionen, vorkommen,
insofern nàmlich die Masse des Sauerstoffs durch die des Wasser-
stoffs, oder umgekehrt, in jeder Phase von vornherein bereits
mitbestimmt ist. Ob allerdings letzteres wirklich zutrifft, muß,
genau genommen, erst durch eine besondere Untersuchung fest-
gestellt werden. Sobald man z. B. den Umstand berücksichtigt,
daß Wasserdampf bei jeder Temperatur zum Teil in Knallgas
dissoziiert ist und daß der Sauerstoff des Knallgases von flüssigem
Wasser stärker ‚absorbiert wird als der Wasserstoff, erhält man,
trotzdem nur vollstindige H,O-Molekiile zum Aufbau des Systems
verwendet worden sind, verschiedene Gewichtsverhàltnisse der
beiden Elemente H. und O in beiden Phasen des Systems Wasser—
Wasserdampf, und damit nicht einen, sondern zwei unabhängige
Bestandteile im System. Dasselbe gilt natürlich, wenn von vorn-
herein H oder O im ÜberschuB vorhanden ist.
Eine wäßrige Lösung von Schwefelsäure bildet ein System
von drei chemisch einfachen Stoffen: S, H, O, aber nur von
zwei unabhàngigen Bestandteilen, da die Masse des O durch
die von S und von H in jeder Phase (z. B. flüssige Lôsung,
Dampf, Eis) von vornherein mitbestimmt ist, wührend S und H
sich nicht in jeder Phase von vornherein gegenseitig bestimmen.
Ob nun in der Lósung sich das Molekül H,SO, irgendwie dis-
soziiert oder ob sich Molekülkomplexe oder Hydrate bilden oder
nicht, ändert an der Zahl der unabhängigen Bestandteile des
Systems nichts.
$199. Bezeichnen wir die Zahl der unabhängigen Be-
standteile eines Systems mit v, so ergibt sich aus der für diese
Zahl aufgestellten Definition, dab der Zustand einer bestimmten
Phase des Systems im thermodynamischen Gleichgewicht be-
stimmt ist durch die Massen der « in ihr enthaltenen unab-
hàngigen Bestandteile, und auDerdem durch die Temperatur T
und den Druck p. Dabei nehmen wir der Gleichformigkeit
halber an, daB ein jeder der x unabhängigen Bestandteile in
jede Phase des Systems mit einer gewissen Menge eingeht, welche
in speziellen Fállen auch verschwindend klein sein kann. Die
e»
go 9 A GO
a
i
1