keit enthält unmittelbar die ethische Forderung der Wahr-
haftigkeit und der Ehrlichkeit, die gleichfalls für alle
Kulturvölker und für alle Zeiten Geltung besitzt und
daher den Rang der ersten und vornehmsten Tugend
beanspruchen darf. Ich glaube nicht zuviel zu sagen,
wenn ich behaupte, daß eine Sünde gegen dieses sittliche
Gebot in keiner Wissenschaft schneller entlarvt und
schärfer gebrandmarkt wird als gerade in der Physik.
In erschreckendem Gegensatz dazu steht die gedanken-
lose und bequeme Nachsicht, mit welcher derartige Sünden
in unserem täglichen Leben hingenommen werden. Ich
meine hier nicht die sogenannten konventionellen Lügen.
Die sind im Grunde harmlos und im täglichen Umgang
bis zu einem gewissen Grade wohl nicht gut zu entbehren.
Denn durch eine konventionelle Lüge wird niemand ge-
täuscht, eben weil sie konventionell ist. Das Unsittliche
fängt erst da an, wo die Absicht besteht, den Angeredeten
zu hintergehen, ihm unrichtige Vorstellungen beizubringen.
In diesem Punkt unnachsichtlich zu säubern und nament-
lich selber mit gutem Beispiel voranzugehen sind in erster
Linie diejenigen berufen, die an verantwortlichen Stellen
zu wirken haben.
Von der Wahrhaftigkeit unzertrennlich ist die Gerech-
tigkeit, die ja nichts weiter bedeutet, als die widerspruchs-
freie praktische Durchführung der sittlichen Beurteilung
von Gesinnungen und Handlungen. Wie die Naturgesetze
ehern und folgerichtig wirken, im Großen nicht anders
wie im Kleinen, so verlangt auch das Zusammenleben der
Menschen gleiches Recht für alle, für Hoch und Niedrig,
Vornehm und Gering. Wehe einem Gemeinwesen, wenn
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