Jedenfalls trat der Baumeister nun als Persönlichkeit, mit den An-
sprüchen einer solchen hervor. Der Vorteil war, daß der Ehrgeiz ge-
weckt wurde, daß die Baumeister einander zu übertreffen strebten,
wodurch dann Mannigfaltigkeit der Stilabwandlung erreicht wurde.
Von nun an lassen sich Bauwerke mit Namen bezeichnen, wie Bilder
und Skulpturen. Namen wie Schlüter oder Pöppelmann konnten
gleichnishaft werden. Dadurch wurde die Verantwortlichkeit er-
höht. Doch wurde auch die Verführung mächtig, mit Mitteln des
Scheins Effekte des Augenblicks zu erzielen. Dem Sachlichen der Bau-
kunst ist es nicht gut, wenn die Persönlichkeit zu sehr hervortritt.
Die großen Namenlosen des Mittelalters waren ebenfalls Persönlich-
keiten gewesen, berühmt in ihren Kreisen und selbstbewußt, wie
große Meister es sind; sie waren als Persönlichkeiten größer als die
Meister des Barocks, sonst hätten sie nicht um so viel größer bauen
können. Der wichtige Unterschied war, daß sie Diener eines uner-
meßlich großen Ganzen und einer Gottesidee waren. Die Barock-
baumeister waren Diener fürstlicher Bauherren, sie dienten welt-
licher Ruhmsucht —und dem kategorischen Imperativ ihres Talents.
Auch sie hatten Größe, doch war diese Größe weniger zuverlässig.
Wenndie alten Baumeisterlaienhaften Priestern gleichen, sohabendie
Barockbaumeister etwas von Schauspielern. Freilich: von genialen;
nie haben Menschen sicherer auf einer Bühne gestanden. Das Ver-
hältnis ist im übertragenen Sinne gegeben, wenn man die Schriften
der Bibel mit denen neuerer genialer Epiker vergleicht. Diese sind
„interessanter“, jene aber überdauern den Wechsel aller Zeiten. Der
Sieg der Persönlichkeit ist ein wirklicher Sieg der neuen Zeit. Doch
mußte auch hier das Mehr mit einem Weniger bezahlt, ja überzahlt
werden.
ANDREAS SCHLÜTER
In der Reihe der großen deutschen Barockbaumeister steht An-
dreas Schlüter etwas düster da; zu dem festlich-heiteren Wesen des
Stils will seine Persönlichkeit nur bedingt passen. Denn er war ein
tragischer Mensch. Er hätte eine Figur für ein Shakespearsches
Drama abgegeben; für ein Drama vom Aufstieg und Fall des Genies.
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