Full text: Deutsche Baumeister

durch nicht kleiner. Es zeigt sich vielmehr, daß wahre Originalität 
und Begabung nicht in der Erfindung eines absolut Neuen besteht, 
sondern in der Art, wie ein Vorhandenes benutzt, selbständig neu 
gedacht und mit Individualität erfüllt wird. 
Dieses beweist noch anschaulicher und vor allem bequemer ein 
Vergleich der Dome in Bamberg und Naumburg. Denn sie sind wie 
Geschwister, Nicht weil beide Kirchen wie Museen der schönsten 
Skulpturen des 13. Jahrhunderts anmuten, sondern weil sie der An- 
lage und Ausführung nach in manchem genau übereinstimmen. Be- 
sonders schön ist auch in Bamberg die Lage des Doms, auf dem Pla- 
teau eines die Stadt beherrschenden Hügels; um so mehr als die 
Gunst der Lage künstlerisch voll ausgenutzt worden ist. Es ist etwas 
Antikisches darin, wie der Dom und die Fassaden der bischöflichen 
Residenzen den gepflasterten Platz an drei Seiten umschließen, wäh- 
rend der Blick an der vierten Seite frei über das Land dahinschweift. 
Mit ihren vier zierlichen Türmen würde die Baugruppe auch sonst 
nachdrücklich wirken; in ihrer Lage wirkt sie wie eine Krone der 
alten Stadt. Im Innern bleibt der Raumeindruck etwas kühl, was 
wohl auf den zisterziensischen Einfluß zurückzuführen ist. Die bei- 
den Chöre im Osten und Westen — der westliche ist hier einmal dem 
Gottesdienst wichtiger gewesen als der östliche, es befindet sich das 
Querschiff darum im Westen — sind weit vorgezogen, wodurch das 
Hauptschiff unnatürlich verkürzt wird. Unsichtbar sind auch hier 
jene Lettner vorhanden, die in Naumburg mit starker Betonung aus- 
gebildet worden sind. Dort, in Naumburg, fehlt die zwingende 
räumliche Gesamtwirkung im Innern ebenfalls. Wofür freilich in 
beiden Kirchen herrliche weltberühmte Einzelwerke der Kunst 
entschädigen. In Naumburg sind es nicht nur die porträthaften 
Fürstenstatuen im Westchor in all ihrem unverwüstlichen sta- 
tuarischem Augenblicksleben, nicht nur die dramatische Kreuzi- 
gungsgruppe, die hinreißend bewegten Balustradenreliefs mit der 
Leidensgeschichte Christi am Westlettner und die in die Wände ein- 
gelassenen, zum Teil sehr bedeutenden Grabreliefs, sondern auch 
die in beiden Chören erhaltenen alten Glasfenster, die alle modernen 
Ergänzungen flau und bilderbogenhaft erscheinen lassen, die reichen 
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