Ferdinand von Lesſeps. 1.41
Gallus nicht mehr durch den Kanal hindurchzudringen. Es ist zweifelhaft,
wie lange nunmehr der Zustand einer fehlenden Verbindung zwischen
beiden Meeren währte. Aus der Tatſache, daß ſspäterhin gelegentlich von
einem „amnis Trajanus “’ die Rede ist, der beide Meere vereinigte, hat man
ſchließen wollen, daß Kaiſer Trajan (98-117) den Kanal wiederhergestellt
habe; doch ist diese Tatſache urkundlich nicht beglaubigt, und ein längere
Zeit benutzter Schiffsweg iſt damals keinesfalls mehr vorhanden gewesen.
Erst im siebenten Jahrhundert erſtand dem Lessepsſchen Kanal ein
dritter Vorläufer, indem Amr, ein Feldherr des Kalifen Omar, im Jahre
640 den Kanal zwiſchen dem Nil und dem Roten Meere aufs neue herſtellen
ließ, der nunmehr bis zum Jahre 767 in Gebrauch war. In dieſem Jahre
aber wurde der Wasserweg vom Kalifen Abu Dſchafar el Manſsur aus
ſtrategiſchen Gründen abhſsichtlich durch Zuſchütten wieder vernichtet, damit
nicht der Rebell Mohammed ibn Abu Talib von Medina her ins Land ein-
fallen konnte, und nunmehr blieben die beiden Meere, obwohl bereits
Harun al Raschid (7869809) sich mit einer abermaligen Herstellung des
Kanals trug, volle 1100 Jahre hindurch ohne Verbindung mit einander.
. Die ungeheure Wichtigkeit eines solchen Seeweges haftete natürlich auch
weiterhin im Bewußtſein der Kulturmenſchheit. Die Venezianer, die lange
Zeit hindurch den Handelsverkehr mit Indien, unter Benutzung des Land-
weges, beherrſchten, gingen im 15. Jahrhundert, ums Jahr 1480, ernſtlich
mit der Ahsſicht um, den Isthmus von Suez zu durchsſtechen. Da aber wurde
ihr Plan durch die Auffindung des Seeweges um das Kap durchkreuzt,
und Venedig verlor damit einen großen Teil seiner impoſanten Macht-
stellung und seines Einfluſſes im Welthandelsverkehr an die Portugiesen.
Auch der größte der türkiſchen Sultane, Suleiman der Prächtige (152021566),
wollte 1529 den alten Kanal wieder herstellen laſſen, doch waren ſeine tech-
niſchen und finanziellen Mittel der Rieſenaufgabe nicht gewachſen. Später,
im Jahre 1671, unterbreitete der allumfaſsende Geist eines Leibniz dem
König Ludwig XIV. von Frankreich den Plan einer Eroberung Ägyptens
und eines Kanals durch die Landenge von Suez, jedoch ohne Erfolg, obwohl
der geniale Minister Colbert der Anregung sympathiſch gegenüberstand.
Der Sultan Mustafa IIl1 (1757~1774) und der berüchtigte Paſcha von
Janina, Ali Bey (gest. 1822), ein bei aller Deſpotie und Grauſamkeit ener-
giſcher und weitblickender Mann, trugen ſich mit dem gleichen Gedanken,
ohne daß jedoch die Durchführung des Projekts ernstlich in Angriff ge-
nommen worden wäre. Als dann 1798 Napoleon Bonaparte ſeinen aben-
teuerlichen Zug nach Ägypten vollführte, deſſen letztes Ziel ja doch ein