126 Ferdinand von Leſseps.
Angriff nehmen können, nun bereits so weit vorgesſchritten war, daß ein
Thronwechſel an dem Fortgang der Arbeiten nichts mehr zu ändern ver-
mochte.
Dennoch war es ein Glück, daß auch der neue Vizekönig, Ismail Paſcha,
dem Unternehmen seine Sympathien ſchenkte, wenngleich er dieſe, unter
dem Druck des noch immer eiferſüchtigen England, lange Zeit nicht offen
zur Schau tragen durfte. Die engliſchen Geschäftsträger und der von ihnen
beeinflußte Sultan Abdul Aſis nötigten Jsmail Paſcha, die Erlaubnis zur
Beendigung der Arbeiten am Suezkanal von äußersſt drückenden Bedin-
gungen abhängig zu machen, deren Annahme Lesſſeps rundweg verweigerte.
Es kam hinzu, daß der neue Vizekönig wegen der großen Sterblichkeit der
beim Kanalbau beſchäftigten Fellachen es ablehnte, die von ſeinem Vor-
gänger übernommene Verpflichtung zur Stellung von mindestens 20 000
einheimiſchen Arbeitern weiterhin zu erfüllen. Somit brach ein Konflikt
zwiſchen der Suezkanalgesellſchaft und der ägyptiſchen Regierung aus, die
ja im wesentlichen nur das Werkzeug eines Hintermanns war. Der Streit-
fall wurde erſt durch ein Schiedsgericht unter Kaiſer Napoleons Vorſitß am
6. Juli 1864 beigelegt; der Urteilsſpruch besſchnitt zwar die Rechte der
Geſsellſchaft in einigen Stücken, erkannte jedoch ihre wichtigsten Ansprüche
als berechtigt an. Vor allem befreite er aber den Vizekönig gegen Zahlung
einer Abſtandsgebühr im Betrage von 38 Millionen Francs von der Ver-
pflichtung, die Arbeiter zu stellen, und die Geſsellſchaft mußte nun ſelbſt
für ihre Arbeiter sorgen. Anfangs bereitete die Beſchaffung des Menſchen-
materials ungeheure Schwierigkeiten, aber Leſſeps’ geniale Energie ermög-
lichte es dann dennoch, daß ein Heer von 30 000 europäiſchen und arabiſchen
Arbeitern, im Verein mit Maſchinen von insgeſamt 22 000 Pferdekräften,
das gewaltige Werk weiter förderte. Die diplomatiſchen Verhandlungen
mit dem Sultan zur Erlangung der Gutheißung der vereinbarten Be-
dingungen, wonach die Geſsellſchaft u. a. für 99 Jahre das Recht erhalten
ſollte, den Betrieb des Suezkanals auszuüben, zogen ſich jedoch noch bis
1866 hin, und erst eine sehr unwillige Äußerung, die Kaiſer Napoleon,
damals der mächtigſte Mann Europas, dem türkiſchen Geſandten gegen-
über tat, führte endlich binnen wenigen Tagen zum Abſchluß des lang-
wierigen Ränkeſpiels.
Inzwischen war am 29. Dezember 1863 der, Süßwaſserkanal" Zagaſig~}
Ismailia~Suesz fertiggeſtelltt worden, und damit war vor allem die Be-
ſchaffung des Trinkwassers beträchtlich einfacher geworden. Infolge der
Heranziehung europäiſcher Arbeiter gingen auch die weiteren Arbeiten, ins-