Ferdinand von Leſsſseps. 135
nach dem einen der vorgelegten acht Pläne der Herren Wyse und Reclus
für durchführbar. Leſſeps, der faſt ohne sein Zutun in die Bewegung
hineingeraten war, wurde trotz ſeiner 74 Jahre von jugendlicher Begeiſte-
rung gepackt, auch dieser Idee noch zum Siege zu verhelfen. Allein sein
Name an der Spitze des Unternehmens ſchien ſchon den Sieg der Sache
zu bedeuten; seine Zurückhaltung hätte vielleicht genügt, um das Vertrauen
in die Güte des Planes zu erſchüttern und diesen womöglich ſcheitern zu
laſſen. Auf ihn, auf sein Verhalten sah die ganze Kulturwelt = ſollte er
ſein Alter, ſein Ruhebedürfnis vorſchützen, um ſich dem neuen Ruf, der an
ihn in erſter Linie gerichtet war, zu entziehen? Ein Victor Hugo ſchrieb
ihm: „Setzen Sie das Univerſum in Erſtaunen durch große Taten, die keine
Kriege ſind! Muß man dieſe Welt erobern? Nein, Ihnen gehört ſie und der
Ziviliſation, ſie wartet darauf ~ wohlan, folgen Sie dem Ruf! Ans Wertl!“
Vergeblich rieten ihm die Seinen, insbesondere ſein Sohn und Mit-
arbeiter Charles, mit triftigen Gründen ab, ſich in ſeinem Alter neuen
Aufregungen und unberechenbaren Zufällen auszuſetzen, vergeblich ſtellten
ſie ihm vor, daß er genug des Ruhmes und auch des Geldes geerntet habe,
daß er ſich in Panama nur Sorgen und Enttäuſchungen, aber keinen neuen
Gewinn mehr holen könne, da er den höchſten Siegespreis ſchon in Händen
hielt. Ferdinand von Lesſseps entgegnete nur: „Wenn ein Feldherr einmal
einen Sieg errungen hat, darf er ſich nicht weigern, eine weitere Schlacht
anzunehmen"; somit folgte er dem Ruf und ~ ging daran zugrunde! Wäre
er noch derſelbe gewesen, der er ein Vierteljahrhundert früher war, hätte
er perſönlich ebenſo oft wie dereinſt in Ägypten auch in Panama weilen
und nach dem Rechten ſehen können + die Kataſtrophe wäre wohl nicht
erfolgt. Aber als er 1879, von aller Welt ob seines jugendlichen Unter-
nehmungsgeistes bewundert, den Aufruf zur Gründung der Panamageſell-
ſchast (Compagnie universelle du Canal interocéanique de Panama) erließ
und bald darnach, 1879 bis 1880, perſönlich nach Panama reiſte, um, in
Geſellſchaft einer internationalen Kommission, die gewählte Kanalstrecke in
Augenſchein zu nehmen, war er bereits 74, als das Verhängnis hereinzu-
brechen begann, 83 Jahre, als die Kataſtrophe erfolgte, 87 Jahre alt, und
wenn er auch bis in die Achtziger hinein von einer erſtaunlichen Friſche
und Jugendkraft war (1885 weilte er z. B. noch in Budapest, 1886 in New
York, 1887 in Berlin uſw.), so war doch einem ſo alten Herrn nicht mehr
zuzumuten, daß er perſönlich noch einmal alle die Strapazen durchmachte,
denen er ſich in Ägypten willig ausgesetzt hatte. Er betrachtete ſich beim
Panamakanalunternehmen ſelbſt nicht in demſelben Maße wie ehedem
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