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242 Nikolaus Riggenbach.
kam mehrfach vor, daß die Räder auf den Schienen glitten, selbſt wenn
Sand gestreut war. Riggenbach ſann über ein Mittel nach, wie man dieſem
Übelstand steuern könne, und kam ſchließlich auf den Gedanken, daß eine
Zahnstange, die in ein am Eiſenbahnwagen ſelbst angebrachtes Zahnrad ein-
greist, imstande sein müsse, dem Übel zu steuern, ja, sogar noch beträchtlich
ſteilere Steigungen ohne Schwierigkeit zu bewältigen. Bei einem Gelehrten |
von Fach, dem Züricher Hochſchulprofeſſor Dr. Culmann, fand er Auf-
munterung und Billigung seiner Ideen und zögerte deshalb nicht, kleine
Modelle einer ſolchen „Zahnradbahn“ zu konstruieren. Zunächst aber fand
er an den maßgebenden Stellen durchaus keinen Anklang mit seiner Er-
sindung. In der deutſchen Schweiz geht es wie nicht selten in Reichs-
deutſchland selbſt: um als unbekannter Erfinder mit seiner Idee durch-
zudringen, muß man schon ein Ausländer sein ~+ der Prophet gilt nichts in
ſeinem Vaterlande! Dieser trübſeligen Wahrheit eingedenk, die für die
deutſche Nation leider noch mehr als für irgendeine andere zuzutreffen
pflegt, ging Riggenbach mit seiner Erfindung ins Ausland. Einer in Stutt-
gart tagenden Ingenieur- und Architektenverſammlung legte er zunächst
ſeine Modelle vor: man schüttelte den Kopf über den deutſchen Schweizer
und gab ihm verblümt zu verstehen, er schiene närriſch geworden zu ſein.
Zur Anerkennung gelangte die deutsche Erfindung auf deutschem Boden
erſt, nachdem ſie ihre Abſtempelung im Ausland erhalten hatte. Am
12. Auguſt 1863 erhielt Riggenbach in Frankreich sein erstes Patent auf
den Bahnſtangenbetrieb. Beſondere Anerkennung und Ermutigung aber
fand er bei dem ſchweizeriſchen Generalkonsul in Waſhington, John Hit,
der, gelegentlich eines Beſuches in Olten, mit dem scharfen Blick des Ameri-
kaners ſogleich die hohe Bedeutung der Riggenbachſchen Erfindung erkannte
und in typiſch-amerikaniſcher Weiſe, ohne viel Aufhebens zu machen, so-
gleich kurz und bestimmt erklärte: „Well, Mister Riggenbach, Sie bauen
eine Bahn auf die Rigi!“
Damit war ein großer Gedanke in Nikolaus Riggenbachs Seele gelegt
worden, ein Gedanke, der bekanntlich später auch Verwirklichung gefunden
hat. Aber ehe es dazu kam, verging noch manches Jahr. In der Schweiz
ſeßzte man nach wie vor Mißtrauen in die Güte der Idee; außerdem trat
Riggenbach im September 1865 einen kurzen Urlaub an, weil er ſich in
Familienangelegenheiten, um nach einem übers große Waſſser gegangenen
Bruder zu ſehen, nach Costa Rica begab. Diese Reiſe, auf der er außer dem
Binnenland von Costa Rica auch Panama, einige Antillen und große Teile
der nordöstlichen Vereinigten Staaten kennen lernte, auch in England wieder