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Werk Intes „Die besſere Ausnutzung des Wassers und der Waſsserkräfte“
bedeutet den Anfang einer ganz neuen Epoche der Volkswirtschaft über-
haupt. Inte kehrte dabei zurück zu seinem alten Lieblingsarbeitsgebiet,
dem Waſsſerbau. Aber er wurde jetzt ein Wegweiser zu ganz neuen,
ungeahnten Zielen und erſchloß dem Wasserbau neue Anwendungsmödglich-
keiten von unabsehbar großartiger Bedeutung. Es war der Talſperrenbau,
den Intze seinem Genius nunmehr als Tätigkeitsobjekt erkor, und der durch
ihn ſo machtvoll gefördert wurde, daß in der Geschichte der deutschen
Talſperrenanlagen Intzes Name zu allen Zeiten als Gestirn ersten Ranges
erglänzen und stets an der Spitze einer stolzen Entwicklung stehen wird.
Talsperren ſind künstlich angelegte Staubecken in Flußbetten, Seen,
welche eine leichte Regulierung des Waſserſtandes der Bäche und Flüſſe
ſowohl in Zeiten der Dürre wie der Hochwasser gestatten. ~ Es ist all-
gemein bekannt, daß der Waſserſtand der fließenden Wasser nicht gleich-
mäßig hoch ist, ſondern daß er in ziemlich umfangreichen Grenzen zu
ſchwanken vermag. Zur Zeit der Schneeschmelze oder nach langdauernden
Regenfällen schwellen die Flüsse an und geben zu Hochwassern, im schlimmsten
Fall zu mehr oder weniger großen Überflutungen Anlaß; im Frühjahr
gehört ja ein derartiges Hochwaſſer in den meisten deutschen Flüſsſen zu
den vollständig normalen, alljährlich wiederkehrenden Erscheinungen.
Nach Epochen anhaltender Dürre oder Regenarmut hingegen schrumpfen
die Wasserläufe selbstverständlich zuſammen, und einige verſiegen unter
Umständen gänzlich. Auch ein solcher niedriger Wasserstand kann, wenn
er eine gewiſſe Grenze überschreitet, zu großen Schäden Veranlassung
geben, ja, ſelbſt zur Katastrophe werden, die kaum geringer zu sein braucht,
als eine größere Überſchwemmung. Wenn die Wasserläufe zu klein werden,
ſo kann die Schiffahrt dadurch ſehr fühlbar betroffen werden, Handel und
Verkehr stocken oder sind gezwungen, statt der billigen Waſſerwege die
teure Eiſenbahn für den Güteraustauſch zu benutzen, der Fiſchfang leidet,
die vom Wasser betriebenen Mühlen, Turbinen uſw. stehen ganz oder
zeitweise stil. Kurz und gut, der Wassermangel und der Wasserüberfluß
pflegen den Anliegern der Bäche und Flußläufe gleich unwillkommen
und unter Umständen verderblich zu sein. Da ermöglichen es nun die
Staubecken der genannten Art, in Zeiten des Wasserreichtums das fließende
Wasser, in großen, künstlichen Seen aufzuſammeln und die flußabwärts
gelegenen Gegenden vor ſchädlichen Hochwassern zu ſchützen, sowie in Zeiten
des Waſssermangels, den aufgespeicherten Vorrat an segnendem Naß wieder
abzugeben, so daß also gleichzeitig die untere und die obere Grenze des