38 William Siemens.
unter dem Befehl des bewährten Kapitäns Dudden stand, in See. Am Abend
des 27. November, als man ſich ſüdlich von der Inſel Wight befand, erhob
ſich ein heftiger Wind, der am nächsten Tage ständig zunahm und in der fol-
genden Nacht, als man ſich der gefürchteten Bai von Biscaya näherte, zum
vollen Sturme anwuchs. Zwei Boote wurden dem Dampfer fortgeriſſen
und sogar ein Steuermann über Bord gespült. Am 29. November – es
war ein Sonntag ~ ſtellte ſich heraus, daß das Schiff ein gefährliches Leck
erhalten hatte, und das Wasser drang mit Macht in den Maschinenraum ein.
Vergeblich ließ man einen großen Teil des Kabels ins Meer ablaufen, um das
gefährdete Schiff zu erleichtern: um 10 Uhr morgens erloschen die Feuer,
und damit war das Schickſal des Dampfers besiegelt! Von den fünf Rettungs-
booten, die das Schiff gehabt hatte, waren nur zwei noch gebrauchsfähig;
zwei waren, wie erwähnt, fortgeſpült worden, und ein drittes war von den
raſenden Wogen zertrümmert worden. Die beiden Boote konnten nur
einen kleinen Teil der Besatzung aufnehmen; die meisten mußten auf dem
ſinkenden „La Plata“ zurückbleiben, darunter der Kapitän und fast alle seine
Offiziere: 25 Minuten vor 1 Uhr sank das Schiff mit seiner Menſchenlaſt.
Auch das eine der beiden Boote kenterte, nachhem es kaum ins Waſſer
gelangt war, und alle seine Inſaſſen ertranken. So war nur noch ein einziges
Boot übrig, in das ſich 15 Personen gerettet hatten, freilich mit nur äußerst
knappen Lebensmitteln. Furchtbare Qualen von Durst und Todesangst
mußten die armen Schiffbrüchigen durchmachen, als sie in der langen,
dunklen Dezembernacht auf dem noch immer wildwogenden Meere dahin-
trieben. Am nächsten Morgen aber wurden ſie von einem vorbeifahrenden
engliſchen Dampfer aufgenommen, der ſie nach England zurückbrachte.
Am 2. Dezember langten die Überlebenden wieder in London an, das ſie
nur sechs Tage vorher frohgemut verlassen hatten.
Die Kunde von dem entſsetlichen Unglück traf die Brüder Siemens
wie ein Donnerschlag. Sie veranlaßten, daß sofort ein französischer Re-
gierungsdampfer ausgesandt wurde, um an der Stätte der Katastrophe nach
weiteren Schiffbrüchigen zu ſuchen, doch blieb dessen Suchen erfolglos. Wohl
aber wurden am 2. Dezember von einem holländischen Schoner noch zwei
Überlebende auf einem dahintreibenden Gumnmirettungsfloß des geſscheiter-
ten Schiffes aufgefunden, dem Tode nahe, fast erstarrt und verhungert. Somit
waren von der 75 Mann starken Besatzung nur 17 Menſchen gerettet worden!
Das Unglück erregte in ganz England größte Teilnahme und Bestürzung
und machte ganz besonders auf William Siemens einen so niederſchmettern-
den Eindruck, daß er ſpäter niemals wieder die alte Heiterkeit, Fröhlichkeit
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