Full text: Die Kunst der Römer (1,2)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
Ist sie es denn auch wirklich? Die 
philologische Forschung ist zu dem Er- 
gebnis gekommen, daß die Entstehung 
der Romulus-Legende erst hellenistisch 
sei. Dann kônnte das archaische Werk 
allerdings noch keine Darstellung der 
Wölfin der Sage sein. Aber die Haltung 
des Tieres ist unverkennbar die Ver: 
teidigung, ihr Zustand die Mütterlich- 
keit. Das 16. Jahrhundert hatte sicher 
recht mit seiner Ergänzung der Zwil- 
linge; nur daß diese ursprünglich nicht 
so feiste und fröhliche Putti waren, 
sondern entsprechend der archaischen 
Formensprache und entsprechend dem 
besonders herben, trockenen Stil des 
Werkes verkleinerte Männlein gez 
wesen sein müssen. Was anders als 
die Náhrmutter der Zwillinge konnte 
denn die Wolfin in Rom bedeuten? 
Die ersten Rómer waren Hirten, die 
nichts so sehr fürchten mußten wie 
den Schrecken der Herden, den reifen: 
den Wolf. Deshalb gehort in sinn 
vollem Lebensbezug zur Herde der 
Wolf, und der griechische Hirtengott 
Apollon erschien daher einst in seiner 
Gestalt. Auch der rómische Kriegsgott 
Mars war zugleich lebenerweckend 
4. Apollo aus Veji. Rom, Villa Giulia und lebenvernichtend und ließ sich 
einst sehen im Bilde des Wolfes. Ist 
es da noch verwunderlich, wenn die Söhne dieses Mars von einer Wölfin genährt 
werden? Es ist ein wunderbarer und ursprünglicher Gedanke jener Hirten, daß ihr 
Geschlecht gezeugt und aufgezogen worden sei vom Feind ihrer Herden, der sich 
dadurch groß und versöhnlich gezeigt hat wie nur ein Gott. Sie selbst verwandelten 
sich ja in reißende Wölfe, wenn sie vom Kriegsgott besessen waren; denn von ihm 
stammen sie ab und eine Wölfin hat ihren Stammvater genährt. In solchen Bildern 
denken nur die frühen und starken Zeiten. Die Sage ist gewiß keine späte Erfindung 
oder Entlehnung. Das archaische Standbild der kapitolinischen Wolfin ist ein ein: 
wandfreies Zeugnis fiir das hohe Alter der Sage vom Ursprung des romischen Volkes. 
  
Die hellenistische Zeit schuf ein neues Bildwerk, mit dem sie die Sage in ihrer 
Weise wiedergab. Die Aedilen Gnaeus und Quintus Ogulnius errichteten es im 
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