Full text: Die Kunst der Römer (1,2)

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Bühnenfront noch Nymphäen, Markttore, Bibliotheken ähnliche Anregung gaben. 
Daß aber die Zimmerwand in ihrer Weise nun auch zur Schauwand und zum 
Bühnenhintergrund ausgestaltet wird, beruht auf dem gespaltenen Realitätsgefühl 
des Römers, das ihn einenteils als nüchternen Realisten, dann wieder als Schau- 
spieler vor einer imaginären Welt erscheinen läßt. 
Die berühmteste derarte ‚Bühnenfront‘ in einem römischen Wohnhaus ließ sich 
Nero in seiner Domus aurea an die Wand malen (Abb. 112). Wohlgemerkt, es ist 
das nicht das naturgetreue Abbild einer römischen Bühne. Aber es ist eine Wand- 
dekoration, welche Elemente der Bühnenfront in phantastischer Weise benützt. Die 
Säulen, welche die Nischen und Vorbauten tragen, sind lang und dünn wie Rohr, 
sind ohne Körperlichkeit und Substanz. Die Felder der Wand dahinter sind meisten- 
teils durchbrochen. Man sieht in ferne Räume, welche wiederum nach hinten zu 
offen sind. In den Nischen und vor den Durchblicken sitzen und stehen Standbilder, 
eine verzauberte Gemeinschaft in Stein gebannter Gestalten, in denen sich das 
labyrinthische Geheimnis dieser Räume sammelt und erfüllt. Wo kommen sie her, 
wo wollen sie hin? Was sollen sie bedeuten in dieser Welt des schönen Scheins, der 
Täuschung und des Spiels? Erstarrte Figuren eines Schauspieles sind es nicht. 
Bilder von Göttern sind es vielleicht einmal gewesen, als die Vorbilder dieser 
Figuren von griechischen Meistern geschaffen wurden. Hier ist es nur noch ferne 
Erinnerung an das Erscheinen und Wirken der Götter, ist es nur noch der Gedanke 
an ihr Wesen, ist es Allegorie in dekorativer Form. Wie der Geist um Ruinen 
wittert, so stehen hier in unwirklichen Räumen die Larven lebendiger Götter von 
einst. Die Antinomie der römischen Kunst wird an diesem Beispiel besonders deut- 
lich, da sich die Phantasmagorie dieser Wand im Palast des Nero befindet, also 
jenes Herrschers, an dessen Porträt sich eine neue Wendung der plastischen Kunst 
zur Stofflichkeit und zum Realismus erkennen ließ. 
Das Goldene Haus des Nero wurde in den Jahren nach 64 erbaut; seine Zer- 
störungsgeschichte beginnt jedoch schon bald nach dem Tode Neros (68); denn die 
Flavier erstatteten dem Volke den Baugrund wieder zurück und wohnten selbst auf 
dem Palatin. Die Wanddekoration gehört demnach in das Ende der sechziger 
Jahre. Kurz nach Baubeginn brach der große ‚neronische‘ Brand aus, der Rom weit- 
gehend zerstörte. Er gab dem Kaiser die Möglichkeit, nicht nur Baugelände für sich 
selbst zu gewinnen, sondern vor allem auch seine städtebaulichen Absichten zur 
Durchführung zu bringen. Es entsteht die nova urbs mit ihren Wohnblocks (in- 
sulae) aus Ziegelmauerwerk und mit ihren Laubengängen. Freilich war der Typus 
der Hallenstraße schon in der späthellenistischen Architektur Italiens bekannt und 
Caesar hatte schon an seinem Forum eine Porticus vor eine Tabernenreihe gebaut. 
Aber erst der neronische Brand und die neronischen Bauvorschriften geben der 
Entwicklung die entscheidende Richtung. Der Typus der Hallenstraße ist in Ostia 
gut erhalten und läßt sich in der Zeichnung rekonstruieren (Abb. 113), er ist auch 
aus Rom bekannt, wo Nero den oberen Lauf der Heiligen Straße zwischen der 
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