8. Von einem etruskischen Krater. Berlin
Befriedigte in dieser Frühzeit den Künstler beinahe schon der seelische Aus-
drucksgehalt, den die Struktur eines Kopfes von Natur aus hat und der sich von der
Dingform eines Gerätes nachdrücklich abhebt, so suchte man später im Kopf das
Persönliche. Auf bemalten Gefäßen des späten vierten Jahrhunderts sieht man ein-
zelne Köpfe von Knaben, Mädchen, Frauen und Männern, welche mit lockerem
Pinsel auf den Tongrund gesetzt sind (Abb. 7—8). In der griechischen Vasenmalerei
wurde die menschliche Figur eins mit der Fläche und ordnete sich ihrer dekorativen
Aufgabe unter; wenn sie jedoch über das Figürliche hinaus mit Lebensinhalt erfüllt
war, dann war sie doch immer noch gefaßt in die formale Einheit des Bildes. Grie-
chische Werkstätten in Unteritalien haben zuerst diese strenge Gesetzlichkeit von
Fläche und Figur, Bild und Dekoration aufgegeben. Was jedoch auf den etruskischen
Kratern zu sehen ist, das ist weder Bild noch Dekoration im strengen Sinn; das ist
eine Skizze nach dem Leben, eine Charakterstudie, eine Momentaufnahme; das
mutet modern und impressionistisch an, weil jede bewußte Stilisierung vermieden
ist, weil das menschliche Antlitz in einer individuellen Brechung seiner Struktur
gezeigt ist, weil die Architektonik des Kopfes erschüttert ist von dem Beben der
Seele, überschattet von den Wolken des Temperaments. Das Einmalige und Augen-
blickliche wird festgehalten. Das Merkwürdige und Auffallende wird gezeigt. Die
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